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Höflichkeit – Regeln mit Haltung Teil3/3

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21.12.2025

Dieses ist der dritte Teil meiner Serie über die Höflichkeit. Im ersten Teil habe ich über die kulturell bestimmte und im zweiten über die dunkle Seite der Höflichkeit nachgedacht. Höchste Zeit, dazu zu kommen, welches die Seite ist, die womöglich eine universellere „Sprache“ spricht und auch einem lohnenderen Ziel folgt, als nur dem von Erfolg bei Hofe/in der Gesellschaft. Eine Kolumne von Chris Kaiser

Ich erwähnte schon den französischen Film „Ridicule“, in dem der Protagonist mit einer beißenden Gewitztheit und treffenden Bonmots am Hofe zu reüssieren hoffte. „Ridicule“ – und da ist der Titel ein Hinweis darauf – könnte man als Film darüber sehen, was die dunkle Seite (nicht der Höflichkeit, aber dann doch) des Humors ist – mit fatalem Ausgang für Beteiligte (andere Hofgänger in Versailles) und Unbeteiligte (die vom Sumpf geplagten Untergebenen des Protagonisten). Während ganz am Schluss der ENGLISCHE „humour“ die Pointe liefert, und der sich leiser, humaner, inkludierend zeigt, also als heilend erweist.

Folgen wir doch diesem Gedanken, und schauen, ob er uns ein Stück weit für unsere Zwecke hier zur Höflichkeit geleiten kann.

Das Ende von „Ridicule“ spielt kurz nach der französischen Revolution, bei der die bedrohte Adeligkeit in Scharen nach England floh. Am Ufer des Ärmelkanals trifft eine vorher im Film als ehrenhafte, aber für die Raffinesse des französischen Hofes viel zu plumpe Person eingeführte wichtige Nebenfigur auf ihren Retter, einen englischen Adligen. Dieser unterscheidet sich von den Hofschranzen bei Louis XVI auch äußerlich, hat er doch weniger farbenfrohe Kleidung an, und seine fast hölzerne Haltung würde in Versailles schnell zum Aussortieren führen. Seine humorvolle Bemerkung jedoch gefällt dem französischen Adligen doch sehr viel besser als alles, was er zuhause erlebt hatte, und er kann zum ersten Mal befreiend mitlachen.

Was, wenn „Höflichkeit“ auch mit diesem Ziel eingesetzt würde? Nicht, um sich einen Vorteil zu verschaffen, damit andere herunterfallen auf der Hierarchieleiter, damit man selber ihren Platz einnehmen kann, sondern damit es alle gleichermaßen ein bisschen von der Hierarchie befreit und zu mehr Behaglichkeit führt?

Höflichkeit sahen wir als das Wissen um und das elegante Einhalten von Regeln der Gesellschaft, in der die Hierarchie (bei Hofe und woanders) irgendwie respektiert wurde und dennoch miteinander verhandelt werden konnte. Ein Hof, in dem nur der oberste Chef, also der König, spricht und alle anderen nur gehorchen, ein solcher Hof also, braucht keine komplizierten Regeln und auch keine Eleganz, nur Unterwürfigkeit aller anderen. Wenn jedoch die Hierarchie durch den Umgang miteinander ein bisschen nachgeben kann, und sich ein kompliziertes Geflecht von Oben und Unten ergibt, bei dem sich der eine die Gunst dieses Herrn, der andere die Gunst von jenem erwerben kann und heute so und morgen anders – dann wird man deswegen geschmeidiger. Schließlich weiß ich heute nicht, wer morgen bedeutsamer ist und wer womöglich ganz vom Hofe geht. Da wird man sich es lieber nicht mit allen anderen verscherzen wollen und bleibt deswegen – nunja – höflich.

Wenn man in diesen Dimensionen des momentanen und künftigen Vorteils denkt, dann nimmt es nicht wunder, dass bei stabilen Kasten und traditionell ständischen Ordnungen sich einige Privilegierte gegenüber weiter unten in der Hierarchie Angesiedelten völlig ungehemmt fühlen und sich herrisch, herablassend, demütigend, eben – unhöflich benehmen. Denn das Beibehalten des respektvollen Umgangs wird nicht........

© Die Kolumnisten