Das Unwort des Jahres 2024 lautet Remigration.

© Quelle: pch.vektor/Freepik, RND-Montage

Das Unwort des Jahres lautet „Remigration“. Der von Rechtsradikalen gekaperte Kampfbegriff verharmlost Massendeportationen. Die demokratische Gesellschaft darf nicht auf die giftigen Sprachtricks der Rechten hereinfallen, kommentiert Imre Grimm.

Das Wort klingt in seiner technokratischen Formelhaftigkeit zunächst nüchtern und harmlos: „Remigration“. Der Begriff bezeichnet in der Sozial- und Exilforschung die Rückkehr von Migranten in ihr Herkunftsland. So weit, so normal. Erst in neuem Kontext entwickelt das Unwort des Jahres seine gefährliche Sprengkraft: In der Identitären Bewegung, in rechten und rechtsextremen Gruppen und Parteien steht „Remigration“ als verschleiernd-beschönigende Verharmlosungsformel für nackten Rassismus, für Massendeportationen und millionenfache Zwangsvertreibung. Es ist die neurechte Tarnversion des alten „Ausländer raus!“.

Sprache formt die Wirklichkeit, die Wirklichkeit formt die Sprache. Die erstarkenden rechten Kräfte im Land wissen das genau. Deshalb verkleiden sie ihren Hass seit Längerem in unpompöse, neutral klingende Schlagworte. Es ist ein gefährlicher Mechanismus. Und genau deshalb ist „Remigration“ eine gute Wahl als Unwort des Jahres – als exemplarischer Fall einer Wolfsvokabel im Schafspelz.

Vor wenigen Tagen erst haben die alarmierenden Meldungen von einem zynischen „Masterplan zur Remigration“ durch Rechtsradikale, Neurechte, AfD-Politiker und Mitglieder der CDU-Werteunion den Verbrämungsbegriff ins mediale Licht gerückt. Das Treffen Ende November im Landhaus Adlon in Potsdam, sieben Kilometer Luftlinie vom Ort der Wannseekonferenz 1942 entfernt, muss allen Demokraten im Land ein lautes, grelles Warnsignal sein. Der neue Rechtsradikalismus kapert die Sprache und kleidet sich ins Gewand der Gediegenheit. Aber er meint den alten Unflat.

Mehr zum Thema

Man ruft in rechtsradikalen Kreisen nicht mehr stumpf „Deutschland den Deutschen!“. Man trägt ja auch keine Springerstiefel mehr. Statt ihre tatsächlichen Absichten zu benennen, wählen die Salonnazis Wörter, die nach unangreifbarer Wissenschaft klingen. So bahnt sich der alte Hass viel leichter seinen Weg ins Bewusstsein auch der breiten Mitte. Denn nicht mal Nazis wollen „Nazis“ genannt werden. „Remigration“ klingt so viel weniger eklig als „Deportation“.

Die vergangenen Unwörter des Jahres sind eine Galerie neurechter Sprachmanipulationen und pseudobürgerlicher Euphemismen: von Lügenpresse (2014), Gutmensch (2015), Volksverräter (2016), Alternative Fakten (2017), Anti-Abschiebe-Industrie (2018), Klimahysterie (2019), Corona-Diktatur (2020), Pushback (2021) und Klimaterroristen (2022) bis Remigration.

Machen wir uns nichts vor: „Remigration“ steht nicht für eine vernunftorientierte Asylpolitik, sondern für ethnische „Säuberung“ (noch so ein Unwort) und den Irrglauben an kulturelle Hegemonie durch Vertreibung all jener mit „falscher“ Hautfarbe oder „falscher“ Herkunft – darunter auch Menschen mit deutschem Pass. Dahinter steckt die alte, aber verteufelt hartnäckige Paranoia überforderter Kleingeister, die deutsche Bevölkerung solle mittelfristig „ausgetauscht“ werden und ein „Masterplan“ könne diesen „Austausch“ rückgängig machen. Es geht um nichts anderes als die Verletzung freiheitlicher Grundrechte von Millionen Menschen – und letztlich die „Arisierung“ Deutschlands.

Wie steht es um die Demokratie in Deutschland? Unser RND-Team geht dem nach – jeden Dienstag in diesem Newsletter.

Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.

Anders als Donald Trump aber, der schon mal dröhnt, Migranten würden „das Blut der USA vergiften“, verzichten die rechten Vordenker hierzulande immer mehr auf völkische „Blut-und-Boden“-Rhetorik. Natürlich in der begründeten Hoffnung, dass ihr bösartiges Gedankengut damit breitere Schichten durchsuppen möge. Aus genau diesem Grund verwenden die Chefpropagandisten lieber schwammige, unideologisch klingende Begriffe wie „ethnokulturelle Identität“ als „Umvolkung“. Nazis bleiben aber Nazis, auch wenn sie Kreide gefressen haben.

Für all diejenigen im Land, die unempfänglich sind für populistische Menschenfänger, sind die giftigen Sprachtricks der Rechten ein Appell zur Aufmerksamkeit. Lassen wir uns nicht einlullen von ihren umgedeuteten Codes und schöngefärbten Parolen. Spielen wir das zynische Spiel nicht mit. Bleiben wir (auch als Medien) wachsam – und in der öffentlichen Debatte sprachlich so präzise wie möglich. Es sind goldene Zeiten für Anführungszeichen.

Was hört Deutschland? Hier finden Sie aktuelle Podcastcharts von Spotify und iTunes – täglich neu.

Ob Serienmarathon oder Filmabend – jeden Monat kommen bei Netflix neue Filme, Serien, Dokumentationen und Shows hinzu. Eine Übersicht über die Neuheiten im Januar.

Der Streaminganbieter Amazon Prime Video geht jeden Monat mit neuen Serienformaten, Staffeln und Filmen an den Start. Diese Titel kommen als Nächstes neu hinzu.

Serien, Filme, Dokumentationen, TV‑Shows und Kurzfilme – mit Disney+ bietet Disney seit 2019 eine eigene Streamingplattform an. Zu dem Angebot zählen aber weitaus mehr als nur Eigenproduktionen. Eine Übersicht der Inhalte, die im aktuellen Monat hinzukommen, gibt es hier.

Serien, Filme, Sport – all das und mehr gibt es auf dem Streamingportal von Sky. Zu dem Angebot zählen Eigenproduktionen sowie große HBO-Serien und Blockbuster. Über aktuelle Abopreise und Inhalte, die im aktuellen Monat hinzukommen, informieren wir hier.

Die Landwirtschaft ist gar nicht mehr seine Kernkompetenz, sondern der Landhandel. Doch natürlich gilt Helmut Bohnhorsts Solidarität den Landwirten. Der Steimbker hofft, dass der Streit nicht eskaliert – und hat einen Wunsch an die Politik.

Autofahrer aufgepasst: Der Landkreis Nienburg kontrolliert auch in dieser Woche die Geschwindigkeiten im Straßenverkehr. In dieser Woche wird an diesen Stellen im Landkreis Nienburg geblitzt.

Ein 24-Jähriger ist bei einem Unfall in Rehburg verletzt worden. Er war mit seinem Fahrzeug von der Fahrbahn abgekommen und damit gegen einen Baum geprallt. Das Auto hat nur noch Schrottwert.

Für die Landesliga-Volleyballer der VSG Hassel/Eystrup standen am Wochenende zwei Heimbegegnungen gegen den TK Hannover III und den TSV Giesen Grizzlys V an. Die Nordkreisler spielten gerade im ersten Spiel sehr gut, belohnten sich jedoch nicht

Drei junge Gesellen aus dem Landkreis Nienburg sind Kammersieger geworden und gehören zu den Besten des Landes ihres Handwerks. Dafür haben die jungen Männer nun eine weitere Auszeichnung erhalten.

Die Landwirte bremsen im Kreis Nienburg den Verkehr aus. Schulbusse aber, so die Ansage, sollten durchgelassen werden. Hat das geklappt?

Der Protest der Landwirte geht in eine neue Runde: Seit Montagmorgen finden erneut Trecker-Korsos im gesamten Landkreis Nienburg statt. Bis mindestens 13 Uhr ist mit Verkehrsbehinderungen zu rechnen, vor allem auf Bundesstraßen. Verfolgen Sie die aktuellen Entwicklungen in unserem Liveticker.

Ob Verkehrsunfälle, Sperrungen, Vermisstenmeldungen, Gewaltdelikte oder anderweitige Verbrechen. Aktuelle Polizei- und Verkehrsmeldungen aus Nienburg und der Umgebung finden Sie ab sofort rund um die Uhr auch in unserem Liveticker.

Wie hoch ist der aktuelle Pegel der Weser bei Nienburg? Droht ein Hoch- oder Niedrigwasser am Fluss? Und wie verhalten sich Anwohner dann am besten? Wir berichten mit Live-Daten.

Die Landwirte protestieren, auch einige Spediteure wollen die Arbeit niederlegen. Weil nicht klar ist, ob die gedruckte Zeitung pünktlich bei allen Kundinnen und Kunden der HARKE im Briefkasten ist, ist an diesem Montag das digitale E-Paper für alle kostenfrei freigeschaltet.

QOSHE - „Remigration“ – Wolfsvokabel im Schafspelz - Imre Grimm
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

„Remigration“ – Wolfsvokabel im Schafspelz

15 0
15.01.2024

Das Unwort des Jahres 2024 lautet Remigration.

© Quelle: pch.vektor/Freepik, RND-Montage

Das Unwort des Jahres lautet „Remigration“. Der von Rechtsradikalen gekaperte Kampfbegriff verharmlost Massendeportationen. Die demokratische Gesellschaft darf nicht auf die giftigen Sprachtricks der Rechten hereinfallen, kommentiert Imre Grimm.

Das Wort klingt in seiner technokratischen Formelhaftigkeit zunächst nüchtern und harmlos: „Remigration“. Der Begriff bezeichnet in der Sozial- und Exilforschung die Rückkehr von Migranten in ihr Herkunftsland. So weit, so normal. Erst in neuem Kontext entwickelt das Unwort des Jahres seine gefährliche Sprengkraft: In der Identitären Bewegung, in rechten und rechtsextremen Gruppen und Parteien steht „Remigration“ als verschleiernd-beschönigende Verharmlosungsformel für nackten Rassismus, für Massendeportationen und millionenfache Zwangsvertreibung. Es ist die neurechte Tarnversion des alten „Ausländer raus!“.

Sprache formt die Wirklichkeit, die Wirklichkeit formt die Sprache. Die erstarkenden rechten Kräfte im Land wissen das genau. Deshalb verkleiden sie ihren Hass seit Längerem in unpompöse, neutral klingende Schlagworte. Es ist ein gefährlicher Mechanismus. Und genau deshalb ist „Remigration“ eine gute Wahl als Unwort des Jahres – als exemplarischer Fall einer Wolfsvokabel im Schafspelz.

Vor wenigen Tagen erst haben die alarmierenden Meldungen von einem zynischen „Masterplan zur Remigration“ durch Rechtsradikale, Neurechte, AfD-Politiker und Mitglieder der CDU-Werteunion den Verbrämungsbegriff ins mediale Licht gerückt. Das Treffen Ende November im Landhaus Adlon in Potsdam, sieben Kilometer Luftlinie vom Ort der Wannseekonferenz 1942 entfernt, muss allen Demokraten im Land ein lautes, grelles Warnsignal sein. Der neue Rechtsradikalismus kapert die Sprache und kleidet sich ins Gewand der Gediegenheit. Aber er meint den alten Unflat.

Mehr zum Thema

Man ruft in........

© Die Harke


Get it on Google Play