Wohlstands-Wahlkampf: Kann Merz mit Trumps LNG die deutsche Wirtschaft retten?
Es gab einmal ein Deutschland, in dem der Strom billig war, die Lebensmittel günstig und kaum Abstiegsangst herrschte.
Diese Zeit deutscher Glückseligkeit ist untrennbar mit dem Namen Angela Merkel verknüpft. Bereits gegen Ende der Ära Merkel begann sich das zu ändern, eine härtere Gegenwart trat hervor. Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine brachen Widersprüche auf, die vorher leichtfertig übersehen wurden. Das deutsche Wirtschaftsmodell basierte auf billigen Energieimporten aus unsicherer Quelle. Diese Abhängigkeit wurde gleichzeitig mit dem Ausstieg aus der Kernkraft und dem Umbau der Energieversorgung hin zu den Erneuerbaren erhöht. Seitdem steht der deutsche Wohlstand in Frage. Darum wird sich die nächste Regierung kümmern müssen.
Und damit voraussichtlich Friedrich Merz, der Kanzlerkandidat von CDU und CSU. Rund drei Monate vor der Bundestagswahl steht die Union deutlich über 30 Prozent in den Umfragen – weit vor der Konkurrenz. Vieles spricht dafür, dass sie die nächste Koalition anführen wird. An der Seite der Grünen oder der SPD wahrscheinlich. Um Deutschland aus dem Tal der strukturellen, wirtschaftlichen Schwäche herauszuführen, müsste eine Regierung unter Merz die Energieproblematik lösen.
Dabei herrscht in Europa bereits Handelschaos. Die Europäische Union führt einen Zollstreit mit China, sie hat ihn selbst angezettelt, indem sie Zölle auf billige Elektroautos aus Fernost erhob. Zugleich weiß sie noch immer nicht, wie sie mit Donald Trump umgehen soll. Der neue, alte US-Präsident will die amerikanische Wirtschaft durch Rekordzölle auf ausländische Waren stärken, das eigene Handelsdefizit abbauen. In der EU gilt das vielen als Schreckensszenario.
Andererseits können die Pläne der kommenden US-Regierung auch Chancen eröffnen. Als Anlass für notwendige Reformen, in der Energiepolitik, für die Wirtschaft. Vielleicht erlebt auch Deutschland einen Agenda-Moment.
Aus Berlin und Paris kamen zuletzt wenig Impulse. Der deutsch-französische „Motor“ wird durch Regierungskrisen in beiden Ländern gedrosselt. Noch, denn nach dem Bruch der Ampelkoalition wird bald eine neue Bundesregierung vor der Frage stehen, wie sie die Energiepreise in Zaum hält, wie sie Schlimmeres verhindern kann. Sie wird Trump Angebote machen müssen, Deals einfädeln. Merz hat bereits angekündigt, das zu tun.
Vor allem in Deutschland leiden Firmen unter der Energiekrise. Das Land hat den dritthöchsten Strompreis in der EU. Kein anderer Mitgliedstaat war so abhängig von günstigen russischen Gaslieferungen. Putin pumpt weiter Erdgas nach Europa, aber kaum mehr nach Deutschland. Die Energiewende des Grünen-Wirtschaftsministers Robert Habeck ist teuer, aber wohl unumkehrbar. Unternehmen bauen Stellen ab, schließen Werke, viele denken darüber nach, im Ausland zu produzieren oder tun dies längst, etwa in den USA. Andere bleiben geduldig und hoffen auf Besserung.
„Meinungsvielfalt in der Medienlandschaft“ – Verleger Holger Friedrich und Intendant Daniel Morgenroth im Dialog
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Seit langem diskutieren Medien und Politik über Migration, doch dahinter stehen auch zunehmende Wohlstandssorgen. Seit 2018 ist die deutsche Wirtschaft nicht mehr kräftig gewachsen. 2023 erlebte sie eine Rezession, die auch in diesem Jahr droht. Dem Land steht ein Wirtschaftswahlkampf bevor. Doch Details zu möglichen Positionen in Verhandlungen mit den USA will zu diesem Zeitpunkt keine Partei verraten, dafür wäre es zu früh. Das gilt auch für die Union. Gute Verhandler lassen sich nicht in die Karten schauen. Wie aber könnte eine Energiepolitik unter ihrer Führung aussehen? Und: Was kann Friedrich Merz dem amerikanischen Protektionismus entgegensetzen?
Es ist nicht so, als wäre die EU sprachlos. So erklärten europäische Politiker bereits, dass eine Erhöhung der LNG-Importe aus den USA dabei helfen würde, den Kontinent aus seiner Abhängigkeit von russischem Gas zu befreien.........
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