Politik und Pailletten: Wie die deutsche Vogue an ihrer Oberfläche kratzt
„Jawohl!“, steht auf dem Cover, und fast liest es sich wie eine trotzige Drohung: Achtung – hier kommt etwas Frisches, Freches, etwas Ungehöriges. „Neuer Stil, neue Schönheit, neues Make-up“, dazu das Gesicht des Models Nina Klepp, gerahmt von einem avantgardistisch überschnittenen Kragen, fotografiert von Chris von Wangenheim. Es ist die erste Ausgabe der deutschen Vogue, die im August 1979 erscheint – zumindest fast.
Denn 1928 hatte es schon einmal eine deutschsprachige Version des Modemagazins gegeben, das in seinem Geburtsland USA bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts existiert. In der Weimarer Republik allerdings hatte sich ein solches Heft trotz aller Vergnügungslust nicht etablieren können; schon im Folgejahr wurde der Vertrieb wieder eingestellt.
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Dann also das Jahr 1979, ein neuer Versuch, mit neuem Stil, mit neuer Mode. „Die 70er Jahre gehen – was bleibt?“, steht auf dem Titelblatt. Und zumindest eine Antwort darauf hat genau 45 Jahre später noch immer ihre Gültigkeit: Es ist die deutsche Vogue selbst, die geblieben ist; seit dem heutigen Samstag liegt die Jubiläumsausgabe in den Kioskregalen.
Kleider und Kollektionen bilden nach wie vor den Kern der Medienmarke, die zum international agierenden Condé Nast Verlag gehört – „neu“ ist noch immer die dominierende Prämisse. Doch schon das aktuelle Titelbild lässt erahnen, dass sich Vogue längst auch anderen Themen widmet: Es zeigt die Schauspielerin Sandra Hüller, fotografiert von Jürgen Teller.
Mit solchen Titelgeschichten, mit Menschen und Themen, die nicht direkt aus der Mode kommen, macht man sich natürlich auch angreifbar.
„Ich mag Sandra sehr, weil sie nicht diese polierte Schönheit ist, die wir im Fernsehen und im Kino so häufig sehen“, sagt Kerstin Weng, die seit 2022 die Münchner Redaktion des Heftes leitet, im Gespräch mit der Berliner Zeitung. „Sandra transportiert etwas, das man vielleicht deutsche Authentizität nennen könnte.“ Und: Die Frau hat was zu sagen.
Im begleitenden Interview spricht die in Thüringen geborene Schauspielerin mit der Vogue-Redakteurin Maria Hunstig über das Verhältnis zwischen Ost- und Westdeutschland, die verschiedenen Perspektiven beider Seiten, über ihr persönliches Erleben des Zerfalls der DDR, „diesen Systemwechsel von einem Tag auf den anderen, ohne Erklärung oder in der Annahme, alle wollen das“. Es sind Töne, die in ihrer Ernsthaftigkeit vor einem halben Jahrhundert so wohl nicht in ein Modemagazin gedruckt worden wären.
Dass gerade die deutsche Vogue politischer........
© Berliner Zeitung
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