Irregeleiteter Kampf gegen rechts: Sind Kunst- und Meinungsfreiheit in Gefahr?
Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit, betonte einst Friedrich Schiller. Das scheint manch einen Richter heute nicht mehr zu beeindrucken. So wurde der Bremer Künstler und Politikwissenschaftler Professor Rudolph Bauer vor verschiedenen Amtsgerichten wegen mehrerer Bildmontagen angeklagt: wegen Beleidigung sowie wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und wegen Volksverhetzung.
Eine Hausdurchsuchung im August 2023 wurde zwei Monate später vom Landgericht Bremen zwar für rechtswidrig erklärt. Wenige Monate später, am 26. März 2024, wurde Bauer jedoch in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Stuttgart wegen Beleidigung eines Politikers zu einer Geldstrafe von 3000 Euro (30 Tagessätze von je 100 Euro) verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Die streitgegenständliche Bildmontage Bauers, veröffentlicht in der Broschüre „Charakter-Masken“ der Reihe Edition Kunst des pad-Verlags (Bergkamen 2023), zeigt den gegenwärtigen Gesundheitsminister Karl Lauterbach. In das Foto wurden ihm zwei linke Hände montiert, beide leicht erhoben, was von der anklagenden Staatsanwaltschaft als Hitlergruß gedeutet wurde. Ein auf die Oberlippe des SPD-Politikers geklebtes Viereck – das kunstgeschichtlich berühmte „Schwarze Quadrat“ von Kasimir Malewitsch – wird von der Anklage als „Hitlerbärtchen“ bezeichnet.
Auch wenn Bauer aufgrund dieser Bildmontage „nur“ wegen Beleidigung verurteilt wurde, ist es hilfreich, sich grundsätzlich zu vergegenwärtigen, wie heikel der juristische Umgang mit NS-Symbolen ist und wie differenziert das deutsche Recht damit umzugehen versucht. Im Zentrum dieser juristischen Bemühungen steht das NS-Kennzeichenverbot nach § 86a StGB.
30.04.2024
•vor 7 Std.
30.04.2024
Bereits in der historischen Rückschau zeigt sich: Auf Bezugnahmen zur NS-Zeit wurde in der Bundesrepublik stets mit besonderer Sensibilität reagiert und geprüft, wie der jeweilige Hinweis auf das Dritte Reich zu verstehen sei. War von einer Verherrlichung der NS-Herrschaft auszugehen, dann wurde weiter geprüft, ob eine der einschlägigen Strafvorschriften, etwa das Verbot des Zeigens von Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Partei nach § 86a Strafgesetzbuch (StGB), dadurch verletzt wird. Wurde ein NS-Kennzeichen dagegen nur verwendet, um Kritik auszudrücken, schied eine Verurteilung nach § 86a StGB aus.
Das bis heute geltende Kennzeichenverbot wurde 1968 ins Strafgesetzbuch eingeführt. Strafbar macht sich (nach §§ 86, 86 a Absatz 1 Nr. 1 Nr. 4 StGB), wer NS-Kennzeichen verbreitet oder öffentlich verwendet, die nach „ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen“.
Damit wird deutlich, dass das NS-Kennzeichenverbot anders als die anderen Kennzeichenverbote des § 86a StGB auch eine inhaltliche Komponente enthält: Es verlangt die Fortsetzung von Bestrebungen ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen.
Jeanine........
© Berliner Zeitung
visit website