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Nahostkonflikt spaltet Freunde und Familien: Wie wir wieder zueinanderfinden

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27.10.2024

Seit dem 7. Oktober 2023 sorgt der Nahostkonflikt – genauer: Der israelisch-palästinensische Konflikt – auch in Deutschland vermehrt für Zündstoff. Die Kulturszene hat sich polarisiert, an Universitäten und auf den Straßen wird teils gewalttätig demonstriert, und die Partei Die Linke sowie Linke im Allgemeinen sind durch das Thema besonders stark gespalten.

Während die einen die „Solidarität mit Israel“ als unverhandelbar hochhalten, sehen andere in dieser „Staatsräson“ ein sich Mitschuldigmachen am „Genozid“, den die israelische Armee ihrer Ansicht nach an den Menschen im Gaza-Streifen und im Libanon verübt. Die Fronten sind verhärtet, in Familien, unter Freunden oder Kolleginnen wird gestritten oder das Thema wird ausgeklammert. Viele haben Angst, sich überhaupt noch zu äußern. Die „Freund oder Feind“-Mentalität des Krieges scheint auch in Deutschland um sich zu greifen.

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Ich kann hier ganz sicher keine Lösung des Nahostkonflikts anbieten. Aber ich möchte ein paar Vorschläge für konstruktive Auseinandersetzungen zu dem Thema machen, die auch zur Reflexion der eigenen Sichtweise und des eigenen Diskussionsstils anregen sollen. Bestenfalls können mit Hilfe dieser Handreichungen Menschen, die in diesem Punkt komplett zerstritten sind, wieder zueinander finden.

Kaum jemand denkt von sich, dass er die falsche Meinung hat und von unlauteren Motiven getrieben wird. Fast alle sind sich sicher, dass sie gute Menschen und moralisch im Recht sind. Die Bilder hungernder Kinder im Gazastreifen oder eben vergewaltigter Frauen auf dem Nova-Festival am 7. Oktober 2023 sprechen doch für sich!

Wenn meine Gesprächsmotivation allerdings darin besteht, dem Gegenüber klarzumachen, dass seine Sichtweise falsch und unmoralisch ist – wie soll dann so ein Gespräch schon verlaufen? Vor allem, wenn das Gegenüber die gleiche Motivation hat? Wenn ich mich schon vor dem Gespräch über meinen Gesprächspartner erhöhe – oder er sich über mich – ist keine Diskussion auf Augenhöhe möglich.

Das liest sich banal, trifft aber auf die meisten politischen Streitgespräche zu, wenn diese moralisch aufgeladen sind und es im Kern um Fragen von „Gut“ und „Böse“ geht. Wenn jeder dem Anderen klarmachen will, dass er selbst gut und der Andere nicht so gut ist, dann werden die Gespräche frustrierend verlaufen – denn niemand wird sich am Ende ernstgenommen fühlen. Klären Sie vorher also bei sich und bei Ihrem Gegenüber die Gesprächsmotivation.

„Wenn man guten Menschen schlechte Informationen gibt, treffen sie schlechte Entscheidungen“, sagte der berühmte Historiker Yuval Noah Harari in einem am 19./20. Oktober 2024 abgedruckten Interview mit der Berliner Zeitung. Es gibt etliche Medien, die ihre Leserschaft mit Informationen zum israelisch-palästinensischen Konflikt versorgen, aber gerade bei ideologisch aufgeladenen Auseinandersetzungen und Kriegen ist viel Propaganda im Umlauf.

Propaganda muss nicht immer auf Lügen basieren, aber die Motivation dahinter ist nicht Erkenntnisgewinn, sondern das Gewinnen von Deutungshoheit. Dazu werden bestimmte Informationen weggelassen, andere aus dem Zusammenhang........

© Berliner Zeitung


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