Ein Berliner Polizist hatte „Zigeuner“ gesagt und noch einiges mehr. Jetzt hat das Berliner Verwaltungsgericht ein Urteil gesprochen. „Im Namen des Volkes“ bestätigte es, dass die Polizei zu Recht ein Disziplinarverfahren gegen ihren 59-jährigen Mitarbeiter Alexander O. führt.

Der Richter wies die Klage des Oberkommissars ab. Allerdings reduzierte er die vom Polizeipräsidium verhängte Geldbuße von 1000 auf 400 Euro. Beendet ist die delikate Angelegenheit allerdings noch lange nicht.

Die beiden Vorfälle, die unter anderem Auswirkungen auf die Beförderung und die Pension des Polizisten haben, ereigneten sich bereits im Dezember 2020 in einem Marzahner Flüchtlingsheim an der Bitterfelder Straße. Alexander O. war dort mehrmals pro Woche als Kontaktbereichsbeamter, um die Identität von Tatverdächtigen zu klären oder Aufenthaltsermittlungen anzustellen.

Verfahren gegen einen Berliner Polizisten: Er hat „Zigeuner“ gesagt

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Im ersten Fall ging es um eine mutmaßliche Ladendiebin, von der er dem stellvertretenden Heimleiter Medhat A. ein Bild aus einer Überwachungskamera vorlegte. Im zweiten, eine Woche später, ging es um ein Auto auf dem Hof der Flüchtlingsunterkunft.

Doch schon hier unterscheiden sich die Schilderungen des Beamten und von Medhat A., der ihn gemeldet hatte, voneinander. Der Polizist sollte nach eigenem Bekunden an dem Auto DNA-Spuren nehmen, weil damit ein Tankbetrug verübt worden war. Der stellvertretende Heimleiter hingegen berichtet, dass er den Beamten gerufen habe, da ein Bewohner sein Auto auf dem Gelände geparkt hatte, obwohl er keine Fahrerlaubnis und somit keine Parkkarte hatte.

Vor dem Berliner Verwaltungsgericht entspann sich deshalb eine Diskussion um Sprachverständnis und Erinnerungen. Medhat A. will gehört haben, wie Alexander O. über die verdächtige Heimbewohnerin gesagt haben soll: „Sie sind Zigeuner, ich kenne solche Leute, sie kommen, um zu klauen. Sie müssen abgeschoben werden.“ Im Fall des Autofahrers soll der Polizist gesagt haben, dass der Bewohner „ein Zigeuner“ sei und er durch seine Arbeit „Erfahrungen mit diesen moldawischen Leuten“ habe.

•vor 2 Std.

29.05.2024

•gestern

Sowohl die mutmaßliche Ladendiebin als auch der Fahrer des Autos waren Asylbewerber aus Moldau. Das Land gilt als sicher. So gut wie niemand von dort erhält Asyl. Trotzdem wohnen auch heute in dem Heim zahlreiche Menschen von dort.

Als die Polizei von beiden Fällen erfuhr, eröffnete sie Verfahren wegen Beleidigung und stellte sie wieder ein, da niemand der gemeinten Bewohner einen Strafantrag gestellt hatte. Das Disziplinarverfahren blieb. Es sei nicht hinzunehmen, dass ein Polizist in der Öffentlichkeit Angehörige der Volksgruppe der Sinti und Roma als „Zigeuner“ bezeichne, diese pauschal des Diebstahls bezichtige und ihnen das Recht abspreche, gleichberechtigt in der Bundesrepublik Deutschland zu leben, so die Begründung.

Im ersten Fall wurden die Angaben von Medhat A. durch eine Mitarbeiterin gestützt. Davon gibt es nur ein Vernehmungsprotokoll, die Frau ist inzwischen gestorben. Auch im zweiten Fall steht Aussage gegen Aussage. Alexander O. sagte zwar, dass er „Zigeuner“ gesagt habe und dies früher allgemeiner Sprachgebrauch gewesen sei. Aber die Meinung, dass diese abgeschoben werden sollten, habe er nicht geäußert.

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Der Richter glaubt ihm nicht. In der jetzt vorliegenden Urteilsbegründung schreibt er: „Anhaltspunkte dafür, dass es sich hierbei um eine wahrheitswidrige Gefälligkeitsaussage gehandelt haben könnte, bestehen nicht.“ Auch ein Motiv, ihn zu belasten, gebe es nicht.

Ein „akustisches Missverständnis“ des Zeugen schließt der Richter aus. „Die Verwendung der Bezeichnung ‚Zigeuner‘ in Bezug auf zwei moldawische Staatsangehörige der Gemeinschaftsunterkunft war in dem verwendeten Kontext diskriminierend und beleidigend, insbesondere beim ersten Vorfall, als der Kläger noch hinzusetzte, die betroffene Person bzw. die betroffenen Angehörigen dieser Volksgruppe kämen nur nach Deutschland, ‚um zu klauen‘.“ Der Richter stellt fest: „Es ist daher ohne Bedeutung, dass das Wort ‚Zigeuner‘, in anderem Sinnzusammenhang gebraucht, nicht ohne weiteres diskriminierenden Charakter haben muss.“

Alexander O. und sein Anwalt werden gegen dieses Urteil Berufung beim Oberverwaltungsgericht einlegen.

QOSHE - Berliner Polizist sprach über „Zigeuner“: Jetzt fällte ein Richter sein Urteil - Andreas Kopietz
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Berliner Polizist sprach über „Zigeuner“: Jetzt fällte ein Richter sein Urteil

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31.05.2024

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