Zwischen Wille und Wandel
Gedanken zum 1. August
Zwischen Wille und WandelAnhand von zwei historischen Fotografien des Nationalfeiertags in Basel lässt sich der gesellschaftliche Wandel der vergangenen 100 Jahre nachzeichnen.
Patrick Marcolli 31.07.2024, 05.00 Uhr Drucken TeilenEhrengäste (Mitte: alt General Ulrich Wille) an der 1.-August-Feier in Basel, Anfang der 1920er-Jahre, gesehen von Lothar Jeck.
Bild: Staatsarchiv Basel-StadtEs muss ein grosser Moment gewesen sein für den jungen Basler Fotoreporter Lothar Jeck: An einer Bundesfeier Anfang der 1920er-Jahre durfte er sich mit seiner Kamera zu den (ausschliesslich männlichen) Ehrengästen begeben und sie ablichten. Es war viel Prominenz zugegen. Unter anderem der alte General Wille, der die Schweizer Armee im eben zu Ende gegangenen Ersten Weltkrieg befehligt hatte.
Jener Wille, den der Journalist Niklaus Meienberg sechzig Jahre später in seinem Buch «Die Welt als Wille und Wahn» so präzise beschreiben sollte: als Demokratieverächter und Freund des deutschen Kaiserreichs. Dennoch huldigte man ihm und seinem Stabschef Theophil Sprecher im Land mit Reimen wie «Was Wille will und Sprecher spricht, das vergiss Dein Leben nicht».
In den Weltkrieg hineingeschlittert
Diese Bundesfeier in Basel also, so vermittelt es Lothar Jeck, war von den Nachwehen des grossen Kriegs geprägt. Eines Kriegs, auf den die Schweiz nicht vorbereitet gewesen war und der in vielerlei Hinsicht zur Belastungsprobe für den Bundesstaat wurde. Viele Kinder aus der Region, unter ihnen mein Grossvater, litten Hunger und gingen zu den Grenzsoldaten, um Essen zu bekommen. Als Schlafwandler bezeichnete der Historiker Christopher Clark vor einigen Jahren die damaligen Entscheidungsträger in Europa – und meinte die Art und Weise, wie sie in den Weltkrieg quasi sehenden Auges, aber auch unbewusst hineinschlitterten.
Die Basler Bundesfeier Anfang der 1970er-Jahre, gesehen von Hans Bertolf.
........© Basellandschaftliche Zeitung
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