Irgendwie hat die Geschichte auch etwas Unappetitliches: Da lernt ein 24-Jähriger eine 14-Jährige kennen. Das erweckt im Kopf das Bild von Missbrauch, so ungleich sind hier die Gewichte verteilt – vor allem, wenn der eine ein hysterisch vergötterter Superstar ist und die andere eine entwurzelte Teenagerin, die mit ihrem Adoptivvater, einem US-Militär, in Wiesbaden in einer amerikanischen Enklave lebt, wo der andere gerade seinen image-verbessernden Militärdienst ableistet. Acht Jahre später – nach der Volljährigkeit mit 21 – wird sie ihn heiraten und 1973 nach sechs Jahren den goldenen Käfig von Graceland/Memphis wieder verlassen.

Diesen Zeitraum umfasst der Film von Sophia Coppola. Er will die Geschichte einer Emanzipation erzählen und einer gescheiterten Ehe, in der ein Mann seine junge Frau wie ein hübsches Haustier unter Kontrolle halten will.

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Die entscheidende Frage aber ist, wie man einen spannenden Film machen kann, wenn die Protagonistin ein langweiliges Luxusleben führt, nicht besonders helle ist und noch beim Highschool-Abschlusstest schummeln muss, um ihn zu bestehen? Regisseurin Sofia Coppola jedenfalls fällt zu dieser Frau nichts ein.

Priscilla Presley hat 1985 die Autobiografie "Elvis and Me" geschrieben. Sofia Coppola hat daraus – unter ihrer Aufsicht – ein Biopic gemacht, das so öde wirkt wie das Leben auf einem Flokati-Teppich zwischen goldenem Edelnippes und vielen TV-Geräten. Über die wunderten sich schon die Beatles bei ihrem Besuch beim King of Rock'n'Roll, der 1977, vier Jahre nach Priscillas Abschied, 42-jährig starb.

Treibende Kraft des Films hätten wenigstens mitreißende Elvis-Songs sein können, aber sie kommen nicht vor. Elvis' Kometenkurve mit Absturz ist nie nachvollziehbar, nicht einmal als Hintergrund der Geschichte einer vernachlässigten, einsamen Frau, deren Dasein zwischen Partys, Pools und Albernheiten einer Elvis-Kumpelsgruppe stattfindet – mit Rollschuhbahn, Autoscooter, TV-Glotzen, Pistolenschießen.

Einzig eine angedeutete Impotenz des Sexidols Presley aufgrund seines Drogen- und Medikamentenmissbrauchs schimmert als echte Tragik durch. Aber – und das wiederum ist fair: Weder zum Monster noch zum Wrack wird dieser Elvis Aaron Presley in "Priscilla" gemacht.

Vergleicht man Sofia Coppolas "Priscilla" mit Baz Luhrmanns "Elvis" von vor anderthalb Jahren, ist Coppolas Scheitern noch umfassender. Luhrmann überschüttete seine Elvis-Story mit seinem ganzen – sicher nicht mehr immer ganz neuen – Popkinokosmos, aber er spielte dabei virtuos mit vielen filmischen Entertainment-Elementen. Coppola dagegen bleibt bieder. War Austin Butler bei Luhrmann ein gelungener Look-alike-Elvis und schauspielerisch sogar viel mehr, so ist Jacob Elordi hier nicht einmal ähnlich.

Sofia Coppola hat das in Interviews auch als "nicht so wichtig" bezeichnet. Was stimmt, wenn man eine packende und allgemeingültige Geschichte daraus machen würde - über Starkult und -leid, über enttäuschte Teeniefantasien und Eheödnis im Luxusalltag.

Aber es gibt keine Meta-Ebene, keine überhöhende Perspektive, die erklären würde, was einem der Film erzählen will. Es bleibt bei einem nacherzählten "Me and Elvis". Und Cailee Speany ist als Priscilla Presley auch schauspielerisch nichtssagend.

Wenn am Ende Priscilla ihren einfältigen Elvis verlässt und mit ihrem Auto durch das Parktor des Anwesens in die Zukunft fährt, erklingt dazu Dolly Partons Song "I Will Always Love You", der durch Whitney Houston zum Welthit wurde. Aber zum Klang dieses sentimentalen Meisterwerks sitzt man ungerührt im Kinosaal.

Kino: Arri, Maxim sowie City, Leopold, Rio (auch OmU) und Arena (OmU), Cinema (OV), R: Sofia Coppola (USA, 113 Min.)

QOSHE - Irgendwie unappetitlich: Über das Leben an der Seite von Elvis Presley - Adrian Prechtel
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Irgendwie unappetitlich: Über das Leben an der Seite von Elvis Presley

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04.01.2024

Irgendwie hat die Geschichte auch etwas Unappetitliches: Da lernt ein 24-Jähriger eine 14-Jährige kennen. Das erweckt im Kopf das Bild von Missbrauch, so ungleich sind hier die Gewichte verteilt – vor allem, wenn der eine ein hysterisch vergötterter Superstar ist und die andere eine entwurzelte Teenagerin, die mit ihrem Adoptivvater, einem US-Militär, in Wiesbaden in einer amerikanischen Enklave lebt, wo der andere gerade seinen image-verbessernden Militärdienst ableistet. Acht Jahre später – nach der Volljährigkeit mit 21 – wird sie ihn heiraten und 1973 nach sechs Jahren den goldenen Käfig von Graceland/Memphis wieder verlassen.

Diesen Zeitraum umfasst der Film von Sophia Coppola. Er will die Geschichte einer Emanzipation erzählen und einer gescheiterten Ehe, in der ein Mann seine junge Frau wie ein hübsches Haustier unter Kontrolle halten will.

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