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Krise an Grenze Polen-Belarus geht weiter

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14.07.2024

Bis zu 50 Meter ragen die Fichten im Białowieża-Wald empor, einem der letzten Urwälder Europas. Bäume, soweit das Auge reicht. Die Luft ist modrig, das Areal so weitläufig, dass man oft stundenlang niemand anderem begegnet. Mit viel Glück erspäht man eines der rund 800 Żubroń-Bisons, die hier in freier Wildbahn leben. Seit vielen Jahrzehnten sind der Wald und das gleichnamige Städtchen bei Tourist:innen aus Polen und darüber hinaus sehr beliebt.

In den letzten fünf Jahren geriet Białowieża jedoch als Problemzone in die Schlagzeilen. Denn der beschauliche Ort liegt direkt an der 400 Kilometer langen polnisch-belarussischen Grenze. Er wurde zum Sinnbild für die Flüchtlingskrise, die sich in der Region abspielt. Nur dreieinhalb Stunden von der boomenden Metropole Warschau entfernt, aber weitgehend unbekannt im Rest Europas.

Im Sommer 2021 begann der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko, Tausende Menschen aus Nahost und Afrika einzufliegen und sie an diese Grenze zu bringen. Warschau und Brüssel waren sich einig: Es handelt sich um hybride Kriegsführung, wohl auch mit russischer Beteiligung. Ziel sei es, Druck auf Polen und die ganze EU auszuüben. Die polnische Regierung ließ daraufhin einen 5,5 Meter hohen und 190 Kilometer langen Grenzzaun mit Stacheldraht bauen. Tausende Soldat:innen wurden postiert, zig Drohnen und Wärmebildkameras sind im Einsatz.

Eine legale Überquerung der Grenze bzw. die Möglichkeit, einen Antrag auf Asyl in der EU zu stellen, war dabei von Anfang an nicht vorgesehen. Polens Kalkül war es, sich nicht auf Lukaschenkos perfides Spiel einzulassen, doch letztlich spielte man trotzdem mit.

Polen nimmt es, derart unter Druck gesetzt, mit den Menschenrechten nicht mehr so genau. Die Geflüchteten konnten weder vor noch zurück. Gleichwohl wurden sie immer wieder von belarussischen Grenzschützern zur Überquerung gedrängt. Schaffte es ein Geflüchteter doch einmal auf die polnische Seite und wurde aufgegriffen, folgten in der Regel Pushbacks zurück nach Belarus.

Viele mussten Monate im Wald ausharren. Mindestens 60 Geflüchtete sind laut NGOs dabei erfroren, ertrunken, wegen unbehandelter Krankheiten gestorben oder anderweitig ums Leben gekommen. Mehr als 300 gelten als vermisst.

Der vielbeachtete Spielfilm „Zielona Granica“ (Grüne Grenze) der polnischen Regisseurin Agnieszka Holland zeigte letztes Jahr eindringlich das Elend im Grenzgebiet. Dramaturgisch zugespitzt zwar, dank akribischer Recherche aber sehr nah an der Realität. Der Film........

© Wiener Zeitung


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