Dienstbetrieb trotz Endkampf: Keine Stunde Null in der Justiz
Artikel vom 12.06.2024
Unbeeindruckt von Bombenkrieg, Kapitulation und alliierter Besatzung liefen Gerichtsverfahren über 1945 hinaus einfach weiter, mit denselben Akteuren und Regeln. Eine Buchbesprechung zur deutschen Juristerei zwischen 1943 und 1948
Es gehört zu den professionellen Gepflogenheiten der Verlagsbranche, dass neue Bücher beim Erscheinen mit Reklame rechnen dürfen, also mit Anzeigen, Buchhandels-Aktionen oder einem Auftritt des Autors bei Lanz. Es sind nicht immer die wichtigsten Bücher, die hier beworben werden. Vor allem öffentliche, verkaufsversprechende Titel, samt prominenter Autorenschaft werden mit Wucht und Elan »gepusht«. Verlagsprofis nennen so etwas »Book-Marketing«.
Und dann gibt es Bücher - es sind nur wenige, ausgesuchte – die in den sogenannten »Leitmedien«, also in der FAZ, der NZZ, der Süddeutschen, im Spiegel oder der Zeit vorgestellt und besprochen werden. Kurzum: vielen - wenn nicht den meisten Neuerscheinungen - ist das Schicksal beschieden, konsequent übersehen und ignoriert zu werden. Sachbücher haben es besonders schwer. Trotz erhellender Welt- und Wirklichkeitserklärung gelten sie beim Lese-Publikum aus dröge, langatmig und mitunter schwer verständlich. Ein Vorurteil, dass sich hartnäckig hält, seit es Bücher gibt. Grund genug also, für spannende, kenntnis- und erkenntnisreiche, gut und verständlich geschriebene Bücher Reklame zu machen.
Von einem besonders aufklärenden und klugen Buch soll hier die Rede sein. Es ist bereits vor zwei Jahren erschienen, wurde seither vielfach und einhellig lobend rezensiert und ist vor allem als Lesestoff für die juristisch akademische Zielgruppe gedacht. Titel: »Der Dienstbetrieb ist nicht gestört«. Der Rechtshistoriker Benjamin Lahusen hat es geschrieben, ein intellektueller Freigeist, der als Professor Bürgerliches Recht und Neuere Rechtsgeschichte an der Viadrina in Frankfurt/Oder lehrt. Es geht darin um die geradezu unheimlichen Kontinuitäten der deutschen Justiz zwischen 1943 und 1948, als das »Tausendjährige Reich« in Schutt und Asche versank und bereits in Trümmern lag und Partei, Staat und Volksgemeinschaft dennoch alles taten, im großen Niedergang........
© The European
visit website