Braucht Deutschland eine Revolution?
Wenn ein heutiger mediengeprägter Deutscher das Wort „Revolution“ hört, denkt er gleich an Krieg, Zerstörung, gewaltsame Absetzung von Machthabern und andere aus seiner Sicht unschöne Erscheinungen für die Menschheit, die er auf keinen Fall für seine Heimat Deutschland wünscht. Das liegt zum einen daran, dass ihm ein völlig falsches Bild einer Revolution vermittelt wird und andererseits fast alle Machtstrukturen dieser Welt nur dem Machterhalt einer Handvoll Superreicher dienen, selbst wenn sie sich Demokratie nennen. Dabei ist eine echte geistige Revolution die einzige Hoffnung, die für Deutschland bleibt.
Die Notwendigkeit für eine tiefgreifende Revolution entsteht bereits durch den Zustand, in den Deutschland manövriert worden ist. Die deutsche Industrie- und Handelskammer titelte erst jüngst: „Deutschland in der Krise: "Wir müssen jetzt endlich gegensteuern"“ [1] Und das Handelsblatt schreibt: „Bundesrepublik vor längster Rezession der Geschichte“ [2]. Es wäre eine naive Geschichtsverfälschung diese Entwicklung allein denjenigen anzulasten, die man bei Strafandrohung nicht „Schwachkopf“ nennen darf. Immerhin darf man einige von ihnen unter Umständen „Kriegstreiber“ nennen [3], was allerdings unsere Medien geschickt eingebettet und offensichtlich fast gleichgeschaltet zu verheimlichen wissen. Nein, die Kultur der Regierenden ist so, wie es das Volk nicht besser verdient. Das hat bereits vor 1400 Jahren Imam Ali, dessen Geburtstag in wenigen Tagen gedacht wird, in seinem Regierungsauftrag an Malik al-Aschtar festgestellt [4]. Sein langer Auftragstext mündete in die Überlieferung: „So wie die Menschen sind, so werden sie regiert“. Im Heiligen Quran heißt es dazu: „Wahrlich Allah verändert nicht das, was für ein Volk (vorgesehen) ist, bis es verändert, was in ihren Seelen ist.“ [5] Ohne Revolution in der Seele eines Volkes geht es nicht! Aber anders als in den Vorstellungen vieler Menschen, muss eine Revolution nicht gewaltsam erfolgen und zudem kann selbst eine „militärische“ Niederlage mittelfristig zum Sieg führen. Eine Revolution ist ein grundlegender und oft plötzlicher Wandel in der politischen, sozialen, wirtschaftlichen und/oder kulturellen Ordnung, wodurch bestehende Strukturen besiegt und durch neue ersetzt werden. Sie kann friedlich oder gewaltsam sein und zielt meist auf tiefgreifende Veränderungen ab. Schauen wir dazu einige Beispiele in der Geschichte Deutschlands an.
Manche Revolutionen werden gar nicht als solche erkannt. Aber Martin Luthers Reformation (1517-1648) war eine theologische und soziale Revolution, die weitreichende Folgen für die Kirche, die Gesellschaft und die Politik Europas hatte. Dazu ein Blick auf das Umfeld: Die katholische Kirche bereicherte sich unter anderem durch Ablassbriefe. Christen konnte ihre eigene Bibel nicht lesen. Und deutsche Fürsten wollten sich gerne von der Macht des Papstes lösen, während die Osmanen in Europa eine zusätzliche Gefahr für alle darstellten. Innerhalb des Osmanischen Reiches genossen Christen und Juden einen gewissen Grad an religiöser Autonomie. Dies stand in starkem Kontrast zur europäischen Praxis, die religiöse Einheit durch Zwang zu bewahren. Die religiöse Toleranz im Osmanischen Reich wurde von einigen europäischen Intellektuellen und Reformatoren als Modell betrachtet, obwohl die Osmanen selbst kein Interesse daran hatten, den Protestantismus zu fördern. Soziale und wirtschaftliche Spannungen, verschärft durch die Ideen der Reformation, führten zu Aufständen der Bauern in weiten Teilen des Heiligen Römischen Reiches. Viele Bauern beriefen sich auf Luthers Lehren, insbesondere auf die Idee der Freiheit eines Christenmenschen, um ihre Forderungen nach Gerechtigkeit und sozialer Gleichheit zu rechtfertigen. Kriege zum Erhalt der Macht der Mächtigen mit hunderttausend Toten waren die Folge, unter anderem im so genannten Dreißigjährigen Krieg (1618–1648). Die Kriege zogen Mächte wie Frankreich, Schweden, Spanien und das Heilige Römische Reich in einen langwierigen militärischen Konflikt, der Europa verwüstete und zu einem der tödlichsten Kriege der Geschichte wurde. So war Luthers Reformation weit mehr als eine theologische Bewegung. Sie löste soziale Spannungen und militärische Konflikte aus, die über Jahrhunderte lang das politische und gesellschaftliche Gefüge Europas prägten. Doch waren es letztendlich nicht allein die Thesen Luthers, die den grundlegenden Wandel bewirkten, sondern die erste deutsche Übersetzung der heiligen Schrift der Christen. Zum Vergleich: Die erste Übersetzung des Heiligen Quran aus dem arabischen Original ins Persische lag bereits sieben Jahrhunderte zurück, obwohl der Islam weitere sechs Jahrhunderte jünger ist. Wenn auch die Spaltung Deutschlands in Katholiken und Protestanten nie überwunden worden ist und heute durch die gemeinsame Zuwendung zum Atheismus ein trauriges Ende zu finden scheint, so ist die Übersetzung bis heute ein kulturelles Gut der Deutschen.
Schauen wir auf die bedeutsame Französische Revolution (1789–1799). Sie wird oft als ein Wendepunkt in der Geschichte betrachtet, der grundlegende politische und soziale Veränderungen in Frankreich und Europa einleitete. Dennoch hat die Revolution in gewisser Weise zunächst........
© Neue Rheinische Zeitung
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