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Generation 7. Oktober

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31.03.2024

Am Morgen des 7. Oktober wird Milena von ihrem vibrierenden Handy geweckt: Raketenalarm. Sie schält sich besorgt aus dem Bett im Heim für Autisten, wo sie gerade eine Nachtschicht hinter sich gebracht hat. Doch ihr Kollege scheint unbekümmert. Es ist Schabbat, sein Telefon ist aus.

Einen Monat schon ist Milena in Israel. Sie weiß, dass das manchmal passiert: dass ein Alarm losgeht und trotzdem alle weitermachen wie zuvor.

Erst als sie wieder zu Hause ist, durchbrechen die Sirenen die Stille über Jerusalem. Übermüdet hockt Milena im geschützten Treppenhaus. Sie sieht, wie eine Rakete am Himmel zerschellt. Auf ihrem Handy liest sie, dass elf Terroristen auf israelischen Boden vorgedrungen sind. »Nur elf«, versucht Milena sich zu beruhigen. »Das schaffen wir schon.«

Milena ist eine von 22 Deutschen, die im September 2023 mit dem Deutsch-Israelischen Freiwilligendienst der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) nach Israel reisen. Sie wissen, dass sie in ein konflikt­reiches Land kommen. »Aber wirklich niemand von uns hat damit gerechnet, dass es plötzlich heißt: ›Wir sind jetzt im Krieg‹«, sagt Milena. Während die meisten deutschen Organisationen ihre Freiwilligen zurückholen, stellt es die ZWST ihren Teilnehmern frei, ob sie einen der Evakuierungsflüge nehmen. Milena gehört zu den Wenigen, die bleiben.

Milena ist 19 Jahre alt, ihr ganzes Leben hat sie bisher in Deutschland verbracht. Doch nach nur einem Monat in Israel entscheidet sie sich, unter Raketenbeschuss zu helfen, statt den sicheren Flieger nach Hause zu nehmen. Und auch jetzt, ein halbes Jahr später, ist sie noch da. »Ich habe meinen Dienst verlängert«, erzählt sie. Der Krieg hat sie mit einem Land verbunden, das sie kaum kannte.

Milena hat ihren Freiwlligendienst verlängert - trotz des Krieges.

Der Deutsch-Israelische Freiwilligendienst bietet aber auch jungen Israelis die Möglichkeit, sich in Deutschland zu engagieren. Shlomo zum Beispiel. Er ist wie Milena im September in ein fremdes Land aufgebrochen, »um mein routiniertes Leben zu durchbrechen«, wie er sagt. Auch er ahnte nicht, dass seine Heimat den tödlichsten Angriff ihrer Geschichte erleben wird, während er in Berlin ist, »um neue Erfahrungen zu sammeln«. Auch Shlomo hat der 7. Oktober verändert. »Ich bin nicht mehr derselbe wie vor ein paar Monaten«, sagt er heute.

Es gibt Ereignisse, die ganze Generationen prägen. Der 11. September ist so ein Ereignis. Fragt man Amerikaner, die alt genug sind, sich an dieses Datum zu erinnern, können sie einem mit beeindruckender Detailgenauigkeit erzählen, wo sie waren, als die Flugzeuge in die Türme krachten. Ein Jahr nach der Attacke gab die Hälfte der befragten Amerikaner in einer Studie an, jener Tag hätte ihr Leben verändert.

Gilt das gleiche für den 7. Oktober? Milena und Shlomo gehören zu........

© Juedische Allgemeine


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