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Verdrängte Geschichten der Gewalt: Die Künstlerin Sung Tieu über Vertragsarbeiter in der DDR

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27.04.2024

In Lichtenberg, zwischen Gehrensee-, Marzahner und Wollenberger Straße, ragt es plötzlich aus den Stadtfluchten heraus wie die Ruine einer mittelalterlichen Burg. Ein „Relikt“, dieses alte Wort kommt einem in den Sinn: historische Hinterlassenschaft, entkernte Welt. Man stößt mit dem Auto fast dagegen in der sonst ja doch recht intakten Stadt.

Der RBB beschrieb das Gelände letztes Jahr als „Geisterstadt aus Beton“, die Anwohner sprachen früher und sprechen noch heute von einem „Schandfleck“, nur tun sie das heute aus anderen Gründen als früher.

Das sagt die Künstlerin Sung Tieu, die den Eingang kennt zu diesen brutalen und brutal traurigen, kaum zu überblickenden Massen von Wohnmaschinen außer Betrieb. Gras und Pflanzen haben sie zum Teil überwuchert, zum Teil leuchten sehr gute Graffiti an den Wänden. 1000 Wohnungen gab es hier, neun Häuserblocks mit jeweils sechs Stockwerken auf über sechs Hektar Land, das eine außergewöhnliche Geschichte hat. Sung Tieu kennt sie.

Vielleicht weiß sogar niemand mehr über diesen Wohnkomplex als die Künstlerin. Sung Tieu, geboren 1987, die viele Preise bekam für ihre Kunst, zuletzt den für künstlerische Forschung der Schering-Stiftung 2024, die in New York ihre Werke zeigt, in Hamburg und London studiert hat, dieser Tage eine Ausstellung für das hiesige Gallery Weekend vorbereitet und die zu den hochgehandelten und interessantesten Künstlerinnen Berlins gehört. Sie kam Anfang der Neunziger als Siebenjährige aus Vietnam nach Deutschland. Ihr Vater war ein paar Jahre zuvor als Vertragsarbeiter in der DDR sesshaft geworden, mit ihrer Mutter zog sie in diesen Komplex, in dem fast ausschließlich Arbeitsmigranten aus Vietnam lebten.

1977 wurde auf einer Brache mit dem Bau begonnen, seit 2003 wohnt hier niemand mehr, jedenfalls nicht offiziell. Seit einem Jahr führt Sung Tieu gelegentlich Gruppen über das Gelände. Informell, sehr großer Andrang. Sie erzählt aus ihrer Recherche zu den Vertrags­arbeitern in der DDR. Seit zehn Jahren macht sie auch Kunst zu diesem Thema.

•vor 8 Std.

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Heute sind wir zu zweit. Aber wir sind nicht allein. Immer mal wieder streckt sich uns ein Kinderkopf aus einem der Hausskelette entgegen, eine Gruppe betrachtet den Ort, der durch einen Zaun begrenzt ist, offenbar als Abenteuerspielplatz. Durch die Luft sausen leise Vögel und laut, mit 130 Sachen, aufgemotzte POV-Drohnen, in Campingstühlen sitzen drei Piloten mit........

© Berliner Zeitung


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