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Helene Hegemann im Interview: „Ich halte Berlin für den Mittelpunkt der freien Welt“

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07.04.2024

Helene Hegemann gehört zu den bekanntesten Schriftstellerinnen der Republik, nachdem sie sehr jung den Roman „Axolotl Roadkill“ veröffentlichte, vor allem aber ist sie eine der besten.

Durch ihre Sätze schillert eine radikale Lebendigkeit – die ohne sicherndes Netz auskommt, fernab moralischer Kategorien –, die man so in Deutschland sehr selten findet. Seit neuestem moderiert die heute 32-Jährige die Literatursendung „Longreads“, die in der ARD ausgestrahlt wird und in der sich Hegemann mit wechselnden Gästen über Bücher unterhält.

Auch wir wollen über Literatur sprechen, und wie wirkungsvoll sie das Leben verändern kann. Treffpunkt sollte natürlich die Kantine der Volksbühne sein, der Ort, der Hegemann geprägt hat, nachdem sie aus zerrütteten Verhältnissen und nach dem Tod der Mutter von Bochum-Ehrenfeld nach Berlin zu ihrem Vater, dem Dramaturgen Carl Hegemann, kam. Über dem Berliner Theater kreisen nach dem Tod des Intendanten René Pollesch viele Fragezeichen. Aber die Kantine hat heute zu. Wir sitzen also in einem Café um die Ecke. Berlin-Mitte, es ist Frühling, Helene Hegemann trinkt schwarzen Kaffee, los geht’s.

Liebe Helene Hegemann, was machen Sie aktuell so?

Ich schreibe ein neues Buch. Es wird ein kurzer Roman, er spielt am Schlesischen Tor.

Ihr letztes Buch hieß „Schlachtensee“, was führt Sie nun zum Schlesi?

Dort wurden die ersten Stadtmauern Berlins als Holzpflöcke in den Sumpf gerammt. Heute natürlich alles zubetoniert. Das Kottbusser Tor ist ja ein Ort der top organisierten Kriminalität. Da versammeln sich die Junkies und Drogendealer und Aussätzigen zwischen Hipstern und Polizisten. Und dadurch gibt es auch eine Art berechenbare Systematik, in der selten jemand aus dem ihm zugewiesenen Bereich ausschert.

Und das ist am Schlesischen Tor anders?

Ja, ein Anziehungspunkt für alle, die in keine Hierarchie mehr passen, zumindest meiner Beobachtung nach. Die, die nur noch mit ihren Dämonen kämpfen, bewegen sich dorthin, Richtung Wasser. Ich habe da viel Zeit verbracht und eine Frau kennengelernt, die gerade an der Grenze zur Obdachlosigkeit stand. Ich bin mit ihr verwechselt worden, ihr versuche ich gerade gerecht zu werden. Es handelt auch von der Strecke der U3, Warschauer Straße nach Krumme Lanke, durch den Stadtteil mit der größten Bebauungsdichte, in dem die teuersten Villen stehen.

Schreiben Sie eigentlich noch immer nur mit der Hand, also mit dem Inky, einem Stift für Grundschüler, der, habe ich recherchiert, 2,85 Euro kostet?

Das stimmt! In Schwarz und in Blau. Wenn mir die eine Farbe zu langweilig wird, dann benutze ich die andere, passiert so alle zwei Wochen.

05.04.2024

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gestern

Haben Sie sich dabei einen Rhythmus auferlegt? Schreiben Sie jeden Tag?

Zwei Stunden, im Idealfall vormittags, sehr assoziativ. Das wird irgendwann alles abgetippt und geordnet – in dem Moment, in dem es sich zu etwas verdichtet hat, von dem ich vorher noch nichts wusste.

Wie verbringen Sie den Rest des Tages?

Gehe mit dem Hund spazieren. Übe Handstand. Esse Schokolade. Solche Dinge. Und ich empfinde mich als per se ziemlich asozial im Schreibprozess.

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Woran liegt das?

Es gibt diese unterbewusste Fixiertheit. Die ist einfach da, solange man an etwas sitzt. Du hast keinen Zugang zur Welt mehr, beziehungsweise ist der Zugang zur Welt nur noch die quälende Unfertigkeit eines Texts. Du kommst nicht raus, bis er abgeschlossen ist. Dass man bis zum Hals darin versunken ist, wird einem aber meistens erst danach klar.

Macht Schreiben Spaß?

Manchmal, selten, sehr. Am meisten Spaß machen SMS. Vor kurzem saß ich........

© Berliner Zeitung


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