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„Bei der BVG ist die Party vorbei“: Für die Berliner wird es ungemütlich

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26.01.2025

Nun also wieder rote Fahnen, still stehende U-Bahnen, Busse und Straßenbahnen, grummelnde Fahrgäste. Im Streit um höhere Löhne und Gehälter bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) hat die Gewerkschaft Verdi zu einem ersten Warnstreik aufgerufen, der am Montag um 3 Uhr beginnt und 24 Stunden dauert. Zuvor hatten sich in einer Mitgliederbefragung 77 Prozent dafür ausgesprochen, die Arbeit niederzulegen, noch bevor die Arbeitgeberseite ein Angebot vorlegt. Der heiße Streikwinter beginnt.

Posts in sozialen Medien zeigen, wie schlecht die Stimmung ist. Ein BVG-Mitarbeiter, offenbar ein Fan des früheren Chefs der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, setzt den Ton. „Wir müssen wie Claus Weselsky auf alles scheißen und unsere Forderungen durchsetzen und das mit Streik“, schreibt der Fahrer bei Facebook. „Wenn du jedes Mal an die Oma denkst, die auf den Bus wartet, wirst du nie deine Forderungen durchsetzen. Für andere Länder hat Deutschland Geld, aber für Leute, die arbeiten gehen, nix.“

Doch nicht nur der Tarifstreit, in dem Verdi aufgrund einer anderen Befragung bis zu 30-prozentige Lohnerhöhungen verlangt, setzt die BVG unter Druck. Dieses und die nächsten Jahre werden ungemütlich für das Landesunternehmen, seine Fahrgäste und nicht zuletzt für alle, die sich eine Verkehrswende wünschen. Beim größten kommunalen Verkehrsbetrieb Deutschlands stehen Entscheidungen an, die von den verwöhnten Berlinern als unpopulär empfunden werden dürften. Gut möglich, dass sich manch einer schon bald nach der guten alten BVG zurücksehnen wird. Es ist Zeit für ein Update.

Die BVG: seit 1929 in Fahrt. Als integrierter Betrieb für die ganze Hauptstadt, der einen Flickenteppich von Betrieben und Tarifen ablöste, war sie der Stolz von Berlin. Wie die damals neue S-Bahn wurde sie weltweit beneidet. Im Kalten Krieg geteilt, wuchs die BVG nach der Wende wieder zusammen. Mit rund 16.600 Beschäftigten ist der Konzern einer der größten Arbeitgeber in Berlin. Im vergangenen Jahr wuchs die Zahl der Fahrgäste auf 1,12 Milliarden Fahrgäste – fast so viele wie 2019, dem letzten Jahr vor Corona.

Auch wenn sie häufiger als früher ausfällt, manche Fahrzeuge abgeschabt wirken, nicht jeder Mitreisende gut riecht: Mit neun U-Bahn-, 22 Straßenbahn- und 153 Buslinien ist die BVG der wichtigste Player, wenn es im schwach motorisierten Berlin, wo über 40 Prozent der Kilometer mit Bus und Bahn zurückgelegt werden, um öffentliche Mobilität geht. Nicht auszudenken, wie voll die Straßen wären, wenn es sie nicht gäbe. Doch sie ist ein teurer Kostgänger: Die Zahlungen des Landes Berlin, die der von 2020 bis 2035 geltende Verkehrsvertrag vorsieht, summieren sich auf zwölf Milliarden Euro. Ausgleichsleistungen für verbilligte Tickets und andere Subventionen kommen hinzu.

Doch Berlin wäre nicht Berlin, wenn die BVG nicht trotz ihres auf Auswärtige so luxuriös wirkenden Angebots Teil der komplexen Love-Hate-Beziehung wäre, in der sich viele Einheimische und ihre Stadt verhakt haben. Es sind nicht nur Jugendliche, die ihr wie der übrigen Stadt mit Verachtung begegnen, sie verschmutzen, ihre Regeln brechen.

Da ist die Landespolitik, die einen Schlingerkurs fährt, wenn sie sich überhaupt für die BVG interessiert. 2000 forderte ein Grünen-Politiker, die BVG zu sanieren und zu verschenken. Später wurde die BVG als Hoffnungsträger für die Verkehrswende ins Schaufenster gestellt, ohne sich mit ihren Problemen zu befassen. Unter der CDU ist nun wieder Sparen angesagt. Da sind die Sozialromantiker, die sich primär darum sorgen, dass sich Wohnungslose in der U-Bahn wohlfühlen – obwohl es wichtiger ist, dass die Mittelklasse weiter mitfährt, denn sie zahlt die Steuern. Wie antiquiert linke Fantasien wie bei „Mensch Meier“ von Ton, Steine, Scherben heute wirken: „Der Spaß ist zu teuer, von mir kriegste nüscht. Nee, nee, nee, eher brennt die BVG.“ Will das jemand noch?

Demotivation, Dienst nach Vorschrift, Krankfeiern und so weiter sind nach meiner Wahrnehmung die Haupttriebkräfte.

Auftritt Henrik Falk. Anfang 2024 kehrte der Jurist, der in Friedrichshain in einem Neubau aufwuchs, in dem Szenen des DDR-Kultfilms „Die Legende von Paul und Paula“ gedreht wurden, von der Hamburger Hochbahn zurück. 2024 war ein schlechtes Jahr für die U-Bahn, sagt der BVG-Vorstandsvorsitzende. Zeitweise fanden nur 85 Prozent der Fahrten statt. „Ein grauenhafter Wert“, sagt Falk im Raum 311 des Abgeordnetenhauses, wo sich der Ausschuss für Mobilität und Verkehr mal wieder mit der BVG-Krise befasst.

„Inzwischen ist es besser geworden“, unterstreicht Falk. So betrug die Zuverlässigkeit der U-Bahn vor zwei Wochen 95,5 Prozent. 98,1 Prozent der Fahrten wurden als pünktlich registriert. „Unser Anspruch muss allerdings sein, dass wir uns in Richtung 99 Prozent bewegen. Das erfordert eine klare und harte........

© Berliner Zeitung


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