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Warum so friedlich? Die Revolution in der DDR gelang ohne Gewalt – mutig!

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09.11.2024

Zum Erstaunen der Welt gelang 1989 in der DDR ein Regimewechsel ohne Gewalt. Eine „friedliche Revolution“ erschien bis dahin als ein Widerspruch in sich – die großen Revolutionen in Frankreich, Russland und China verliefen allesamt extrem gewaltsam und mündete in Diktaturen.

Anders in der DDR: Dort endete mit den Aufwallungen staatlicher Repression am 4. Oktober in Dresden und am 7. Oktober in Ost-Berlin das gewaltsame Vorgehen gegen Bürger, die Reformen einforderten.

Eine Staatsmacht, die bis dahin Aufstände energisch unterbunden hatte, 1953 sogar mithilfe sowjetischer Panzer, stellte Mitte Oktober 1989 die Gegenwehr im Prinzip ein, versuchte es mit Dialog. Dafür aber war es zu spät; so nahm sie ihren Untergang hin. In dieser entscheidenden Phase, als Hunderttausende auf den Straßen ostdeutscher Städte gegen die faktische Alleinherrschaft der SED demonstrierten, herrschte noch lange Unsicherheit, wie der Sicherheitsapparat reagieren würde und welche Kräfte sich in der politischen Führung durchsetzen würden.

Die schiere Masse der friedlich demonstrierenden Bürger wirkte sicherlich einschüchternd auf die Inhaber des Gewaltmonopols – doch lieferte das allein noch keinen hinlänglichen Grund, so viele Machtposition sang- und klanglos zu räumen.

Wie war das möglich? Wie lässt sich diese glückliche Entwicklung verstehen? Die landläufige Erklärung lautet: Mutige Bürgerrechtler wagten den Widerstand. Das ist auf jeden Fall ein Teil der Wahrheit. Wer den Blick aber auf die wenigen Bürgerrechtler verengt, ignoriert die komplexe Vorgeschichte: die jahrelange Erosion der SED-Machtbasis.

Im Sommer 1989 hatte das Ministerium für Staatssicherheit 2400 aktive Bürgerrechtler ausgemacht, organisiert in 150 Basisgruppen, und „60 unbelehrbare Feinde des Sozialismus“ personell erfasst. Eine im Wortsinn überschaubare Opposition, von der offenkundig keine direkte Systemgefährdung ausgehen würde.

Die weitaus größere Gefahr lag im Innern der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, der SED. Die zählte 1987 mehr als 2,3 Millionen Mitglieder in 59.300 Grundorganisationen, mehr als alle Parteien der Alt-BRD zusammen. Jeder sechste erwachsene DDR-Bürger gehörte „der Partei“ an. Die war also überall: in den Betrieben, Kommunalverwaltungen, Kulturinstitutionen, Medien. Die Genossinnen und Genossen sollten als vorbildhafte Kümmerer den sozialistischen Gang sichern.

In dieser Masse entsprach nicht jeder dem Idealbild des Sozialisten – die Entwicklung von der Kader- zur Massenpartei hatte zur inneren Aufweichung geführt. An der Oberfläche sah sie wie ein stabiles Konstrukt aus. Offenkundig ließ sich selbst die Parteispitze davon täuschen und glaubte noch immer, sie habe alles fest in der Hand. Doch so war es nicht. Im Innern der Partei bröckelte es seit Jahren.

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© Berliner Zeitung


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