Nacktbaden am Ende? Von wegen. Wie der Wandel am FKK neue Toleranz schafft
Die Behörden waren machtlos, das Nacktbaden drang subversiv bis in höchste Partei- und Staatskreise vor. Das Volk nahm sich hüllenlos seine Freiheit – seit den 1970ern war FKK normal, in den letzten Jahren der DDR selbstverständlich. Spielte es eine Rolle, ob da ein Schild einen offiziellen Nacktbadestrand auswies? Klares Nein. Textiliten akzeptierten die Adam-und-Eva-Nachbarn ohne großes Gewese. Und Frauen waren die größten Fans von Ganz-und-gar-Ohne.
Claudia Rusch, 1971 in Stralsund an der Ostsee geborene Schriftstellerin, erinnerte sich in dem Buch „Meine Freie Deutsche Jugend“, wie sie 1990 zum ersten Mal das Mittelmeer in Frankreich eroberte – nackt: „Wir waren uns keiner Schuld bewusst. An den langen Ostseestränden badeten wir alle nackt.“ Sie hatte nicht einmal Badesachen nach La Douce France mitgenommen.
Die schönsten Anekdoten über das Nacktbaden stammen aus Ahrenshoop, zu DDR-Zeiten ein Promitreff erster Ordnung, „Bad der Kulturschaffenden“, Sommerzentrum des Kulturbundes. Eine der Geschichten erzählt von Johannes R. Becher: Als sich in den 1950er-Jahren Berichte verbreiteten, dort spazierten nackte Menschen durch das Dorf und tummelten sich nicht nur am Strand, habe sich der bedeutende Schriftsteller, erster Kulturbundpräsident, erster DDR-Kulturminister und Dichter der DDR-Nationalhymne, aufgemacht, um die Sittenlockerung wenigstens zu bremsen.
Der Strand, der die Dichter lockte
15.09.2018
Der sexuell allseits aufgeschlossene Mann hatte nichts gegen das Nacktsein, pries auch die „unberührte Nacktheit“ und gehörte zum Ahrenshooper Besucherstamm. Heiner Müller erzählt in seiner Biografie „Krieg ohne Schlacht“ von Bechers Erlebnissen beim Sondereinsatz gegen das Überborden: „Auf der Dorfstraße kam ihm ein Trupp Nackter entgegen, an der Spitze seine Kreatur Alexander Abusch.“ Das war Bechers Stellvertreter im Kulturministeramt und auch sein Nachfolger.
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Am schönsten hat jedoch die Malerin Elizabeth Shaw die Stimmung eingefangen. Eine Zeichnung zeigt vergnügte Nackedei-Frauen beim Ballspiel am Meer, eine andere die „Nackte Begrüßung“ am Strand. Zwei splitterfasernackte ältere Herren mit wenig Haar, offenbar miteinander bekannt, begegnen einander. Der lange Dünne, nur mit einem Buch unterm Arm ausgestattet, stellt seine hüllenlose Gattin dem kurzen Dicken vor, der sich formvollendet vor der Dame verneigt.
Die Versuche, Adam und Eva aus dem FKK-Paradies Ost zu vertreiben, begannen schon im Sommer 1990, noch vor dem amtlichen Vollzug der deutschen Einheit. Am Lieblingssee im........
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