Von Europa ist oft die Rede, seine Wahlen stehen aber meist im Schatten. Das kann viele Gründe haben: Distanz, Zweifel an der Bedeutung des Parlaments, fehlendes Interesse. Eher routiniert wird dem entgegengehalten, dass die Europäische Union ein einzigartiges Friedens- und Freiheitsprojekt ist, ein Staatenverbund und Wirtschaftsraum, der seinesgleichen sucht. Aber genau so ist es. Die im Einzelfall durchaus berechtigten Klagen über Zentralismus und Regulierungswut dürfen diese Errungenschaft nie infrage stellen.

Wer, wie die AfD, die aus der EU ausgetretenen Briten als Vorbild hinstellt, die im Übrigen im Grunde nie so ganz bei der europäischen Sache waren, sollte nach einer ehrlichen Rechnung für jeden gefragt werden. Und wer, wie die Wagenknecht-Partei, europäische Vorgaben nicht umsetzen will, wenn sie „wirtschaftlicher Vernunft, sozialer Gerechtigkeit, Frieden, Demokratie und Meinungsfreiheit zuwiderlaufen“, verstößt damit nicht nur gegen Europarecht, sondern handelt auch verfassungswidrig. Zwar sind die Mitgliedstaaten die Herren der europäischen Verträge und können ihre Verfassungsidentität schützen. Aber es gilt der Vorrang des Europäischen Rechts – wie sollte es in einer Rechtsgemeinschaft auch anders sein?

Mehr zum Thema

Chef von Sicherheitskonferenz : „Wir haben mit Russland alles versucht“

Wagenknecht auf BSW-Parteitag : „Wir sind keine Linke 2.0“

Demos gegen Rechtsextremismus : Protest von Apolda bis Zwickau

Die Ablehnung der EU durch Populisten aller Farben und Länder passt freilich auch zu deren Verständnis von Demokratie – im Grunde verstehen sie gar nichts davon. Wer nur nehmen will und jede ihn selbst womöglich nachteilig betreffende Entscheidung für eine Verschwörung hält, mit dem ist kein Staat zu machen und wäre schon ein Zusammenarbeiten in einer Bastelgruppe kaum möglich. Kein Wunder, dass die Freunde des russischen Aggressors genau unter solchen Figuren zu finden sind. Auch hier ist es Aufgabe der Demokraten aufzuzeigen, was für eine Wüste aus Deutschland und Europa wird, wenn man Moskau marschieren lässt. In der Ukraine wird die europäische Welt verteidigt, die größer ist als die EU. Auch darum geht es bei der Europawahl.