Die Abneigung gegen eine Wehrpflicht ist bei einem guten Teil von vermeintlichen Verantwortungsträgern so groß wie die Begeisterung über ein möglichst breit gestreutes Bürgergeld. Die Vehemenz, mit der sich Bundeskanzler Scholz gegen jegliche Abstriche beim Sozialstaat stemmt, wird nur noch von seinem brutalstmöglichen Ausschluss einer (ohnehin von niemandem geforderten) Entsendung deutscher Truppen in die Ukraine übertroffen. Der Kanzler wandte sich ausdrücklich an Bürger und Soldaten.

Dabei ist im Ernstfall der Bürger ein Soldat – und das Bürgergeld hängt mit Bürgerpflichten zusammen. Gerade die Zeitenwende, in der wir uns unzweifelhaft befinden, schreit geradezu danach, den Staat auf seine Leistungsfähigkeit zu überprüfen. Dazu gehören Wehrhaftigkeit und Widerstandskraft, aber auch Entschlackung von Abläufen, Beschleunigung von Verfahren, Versorgungssicherheit. Und der Sozialstaat muss wieder beim Wort genommen werden: Schutz und Hilfe für Bedürftige. Das gilt generell wie in der Flüchtlingsfrage besonders.

Das Bürgergeld muss generell infrage gestellt werden. Wurde der alte Begriff der Sozialhilfe als abfällig empfunden, so wird nun suggeriert, der Stolz des Bürgers bestehe im Empfang von staatlichen Leistungen. Dabei ist der Bürger frei, und der Staat sollte ihn in seiner Freiheit bestärken und ihm Fesseln und Lasten abnehmen – ihm aber starke Bildung, Gesundheitsversorgung und Infrastruktur zur Verfügung stellen und ihn vor äußeren und inneren Gefahren schützen.

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Diese Freiheit in Sicherheit muss aber auch verteidigt werden. Das Si­gnal nach außen wie innen darf nicht sein: Hier gibt es alles, und zwar umsonst. Das gilt auch für die Ukraine-Flüchtlinge. Es führt zu falschen Anreizen und sprengt den sozialen Frieden, Ukrainer im arbeits- und wehrfähigen Alter von Anfang an im Grunde besser zu versorgen, als es manch hart arbeitendem Einheimischen möglich ist. Wer sollte das besser verstehen als Bürger, deren Freiheit bedroht ist?

QOSHE - Bürgerstolz statt Bürgergeld - Reinhard Müller
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Bürgerstolz statt Bürgergeld

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07.03.2024

Die Abneigung gegen eine Wehrpflicht ist bei einem guten Teil von vermeintlichen Verantwortungsträgern so groß wie die Begeisterung über ein möglichst breit gestreutes Bürgergeld. Die Vehemenz, mit der sich Bundeskanzler Scholz gegen jegliche Abstriche beim Sozialstaat stemmt, wird nur noch von seinem brutalstmöglichen Ausschluss einer (ohnehin von niemandem geforderten) Entsendung deutscher Truppen in die Ukraine übertroffen. Der Kanzler wandte sich ausdrücklich an Bürger und Soldaten.

Dabei ist im Ernstfall der Bürger ein Soldat – und das........

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