Die Jugendstaatssekretärin warnt Jugendliche vor allzu lockerer Verschuldung. Im Juli prangerte sie noch allzu strenge Kreditvorgaben der Finanzmarktaufsicht öffentlich an.

Lob, wem Lob gebührt: Finanzminister Magnus Brunner und Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm haben am Dienstag ein wichtiges Problem angesprochen, nämlich die Überschuldung Jugendlicher. In den sogenannten sozialen Medien wollen sie unter dem Motto „Was sagt das Konto?“ bei 14- bis 20-Jährigen das Bewusstsein dafür schärfen, wie verheerend es ist, sich von hirnverbrannten Trends wie #Klarnaschulden (man prahlt mit den Schulden, die man beim schwedischen Zahlungsdienstleister dank dessen „Kauf jetzt, zahl später“-Funktion mit einem Fingertippen angehäuft hat) in die Insolvenz hineintheatern zu lassen.

Bloß: wieso hat dieselbe Staatssekretärin Plakolm, die heute vor der Schuldenfalle warnt, vor nicht einmal einem halben Jahr noch öffentlich für die Lockerung von Kriterien für die Vergabe von Krediten agitiert? Am 1. Juli griffen Plakolm und Niederösterreichs Landeshauptfrau, Johanna Mikl-Leitner, die Finanzmarktaufsicht verblüffend scharf an. „Die weisungsunabhängige Behörde ist für die unverhältnismäßig hohen Hürden verantwortlich, die Kreditnehmer in Österreich zu schultern haben“, liest man in ihrer Presseaussendung. Zur Erinnerung: die Verordnung der FMA für nachhaltige Vergabestandards bei der Finanzierung von Wohnimmobilien verlangt, dass man höchstens 40 Prozent des Haushaltseinkommens für die Rückzahlung eines Wohnungskredits aufwenden darf und ein Fünftel der Gesamtkosten des Kaufs der Immobilie selber finanzieren muss.

Ist es nicht widersprüchlich, zuerst einfachere Verschuldung zu fordern, und dann vor zu einfacher Verschuldung zu warnen? Auf Nachfrage der „Presse“ antwortete Plakolms Kabinett dies: „Unser Anliegen ist es zum Beispiel In-App-Käufe oder die 43. (sinnbildlich gesprochen) Ratenzahlung bei Klarna zu hinterfragen, weil das in Summe junge Menschen in unbewältigbare Schuldenberge treibt, ermutigt durch Trends wie #klarnaschulden oder „Buy now, pay later“. Ein guter Punkt. Denn nicht nur jungen Leuten entgleitet die Kontrolle über das, was sie im Umgang mit Handy-Apps tun, allzu rasch.

Doch dann kommt der Nachsatz aus dem Kabinett der Staatssekretärin: „Auf einem ganz anderen Blatt Papier steht die Investition in eine Immobilie und damit in die Zukunft. Hier steht dem Kredit ein realer Gegenwert oder eine Investition gegenüber, nicht nur die schnelle Bedürfnisbefriedigung. Der Mix aus hoher Eigenkapital- sowie Schuldendienstquote und dem gestiegenen Leitzins der EZB machen es für junge Paare wie auch Familien immer schwerer, einen Kredit für die Schaffung von Wohnraum zu erhalten.“ Nachsatz: „Die Ausfallsquote bei Krediten für Einfamilienhäuser beziehungsweise Wohnraum ist zudem laut Auskunft des Bankensektors sehr niedrig, weshalb auch hier Lockerungen gefordert werden.“

Moment: wer seine Hypothek nicht mehr bedienen kann, dem pfändet die Bank das traute Heim unter dem Allerwertesten weg. Die Besicherung einer Forderung dient dem Gläubiger, nicht dem Schuldner. Unterm Strich steht ein zahlungsunfähiger junger Hauskäufer vor derselben ernüchternden Bilanz des Scheiterns wie ein Altersgenosse, der nach einem Schuldenregulierungsverfahren (vulgo Privatkonkurs) seine Konsumkreditschulden abgebüßt hat. Die niedrige Ausfallsquote bei Hypothekarkrediten wiederum taugt auch nicht aus Argument dafür, die Vergabekriterien der FMA zu lockern. Diese Kreditnehmer kommen ja eben genau deshalb so selten überhaupt nur in Verzug (ganze 2,5 Prozent im letzten Quartal des Vorjahres, erhob die Statistik Austria), weil die Regeln so streng sind. Man würde ja auch nicht mit Hinweis auf das imposante Sinken der Zahl der Verkehrstoten seit Einführung der Gurtpflicht für die Abschaffung desselben argumentieren.

Klar ist es heutzutage in Österreich, einem der reichsten Länder der Welt, zu schwer, sich ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen. Es gibt aber gute Gründe dafür, dies nicht durch riskantere Kreditvergabe zu bekämpfen zu versuchen. Wohin es führt, wenn Banken nicht genau genug auf die Zahlungsfähigkeit ihrer Schuldner schauen, bekommt dieser Tage man am Beispiel der Signa-Affäre in Echtzeit vorgeführt.

QOSHE - Frau Plakolm und die Schuldenfalle - Oliver Grimm
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Frau Plakolm und die Schuldenfalle

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07.12.2023

Die Jugendstaatssekretärin warnt Jugendliche vor allzu lockerer Verschuldung. Im Juli prangerte sie noch allzu strenge Kreditvorgaben der Finanzmarktaufsicht öffentlich an.

Lob, wem Lob gebührt: Finanzminister Magnus Brunner und Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm haben am Dienstag ein wichtiges Problem angesprochen, nämlich die Überschuldung Jugendlicher. In den sogenannten sozialen Medien wollen sie unter dem Motto „Was sagt das Konto?“ bei 14- bis 20-Jährigen das Bewusstsein dafür schärfen, wie verheerend es ist, sich von hirnverbrannten Trends wie #Klarnaschulden (man prahlt mit den Schulden, die man beim schwedischen Zahlungsdienstleister dank dessen „Kauf jetzt, zahl später“-Funktion mit einem Fingertippen angehäuft hat) in die Insolvenz hineintheatern zu lassen.

Bloß: wieso hat dieselbe Staatssekretärin Plakolm, die heute vor der Schuldenfalle warnt, vor nicht einmal einem halben Jahr noch öffentlich für die Lockerung von Kriterien für die Vergabe von Krediten agitiert? Am 1. Juli griffen Plakolm und Niederösterreichs........

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