Es ist ein Gerücht, eine Idee vielleicht, womöglich ein Plan. Noch nicht viel mehr. Doch die Befürchtungen sind jetzt schon groß. Und die Kritik auch. Nach Auskunft des Pankower CDU-Abgeordneten Johannes Kraft plant ein Geschäftsmann, eine Großunterkunft für Flüchtlinge hochzuziehen und sie dem Senat anzubieten. An der Zepernicker Straße in Berlin-Buch, tief im Nordosten der Stadt. Kurz vor der Grenze zu Brandenburg. Für 1500 Bewohner.

Der Politiker Kraft, in dessen Wahlkreis der Ortsteil Buch liegt, schlägt Alarm. „Eine zusätzliche Ballung von Flüchtlingen am Stadtrand muss vermieden werden“, sagt er der Berliner Zeitung. Neben vielen anderen Problemen sei die öffentliche Infrastruktur schon heute massiv überfordert.

Kraft selbst hat so seine Erfahrungen mit der Gemenge- und Gefühlslage vor Ort gemacht. Im Sommer 2022 eskalierte eine offenbar von der örtlichen AfD gekaperte Bürgerversammlung in Buch. Am Ende musste sich der CDU-Mann quasi allein gegen eine wütende Menge behaupten.

Damals ging es um eine Unterkunft an der Groscurthstraße. Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) hatte im Februar 2022 ein zwischenzeitlich geschlossenes und später als Corona-Testzentrum genutztes Containerdorf wieder bezogen. Zusammen mit zwei weiteren Unterkünften gibt es in Buch Kapazitäten für 1500 Menschen.

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18.02.2024

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Bei einer weiteren Anwohnerversammlung ein Jahr später hielten sich die Teilnehmer im Zaum. Aber sie berichteten von Diebstählen, Lärmbelästigungen, Bedrohungen und der Angst vor Überfremdung. Den größten Applaus bekam eine Anwohnerin, als sie sagte: „Diese Unterkunft in Buch ist ein Ghetto.“

Tatsächlich ist der gesamte Norden des Bezirks gefordert. In Karow gibt es nach Auskunft des LAF eine Aufnahmeeinrichtung für bis zu 306 Menschen. In Französisch-Buchholz eröffnet im Juli eine Modulare Unterkunft für Flüchtlinge (MUF) mit 320 Plätzen. Rechnet man die umstrittene MUF in einer Wohnanlage an der Kavalierstraße vor den Toren des Pankower Schlossparks (Grüner Kiez Pankow) dazu, die Ende 2025 bezugsfertig werden soll, ist man bei weiteren 740 Plätzen.

Wir brauchen endlich einen gerechten und verträglichen Verteilungsschüssel für Flüchtlinge im Land Berlin.

Insgesamt nimmt Berlins bevölkerungsreichster Bezirk fast 16 Prozent aller hauptstädtischen Flüchtlinge auf – nirgendwo sonst sind es mehr. Das sind nach Auskunft des Bezirksamts derzeit etwa 5000 Menschen.

Für den Wahlkreisabgeordneten Kraft ist klar: „Wir brauchen endlich einen gerechten und verträglichen Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge im Land Berlin. Diese Aufgabe können einzelne Stadtteile nicht mehr alleine bewältigen.“

Sind zu den Bucher Plänen noch viele Fragen offen, ist ein Stückchen weiter südlich, in Prenzlauer Berg Ost, ein weiterer Ausbau schon sicher. An der Storkower Allee, einem Gewerbegebiet mit vielen teils leer stehenden Plattenbauten, gibt es bereits Obdachlosenunterkünfte, aber auch Einrichtungen für Flüchtlinge. Die größte ist das Hostel Generator am S-Bahnhof Landsberger Allee. Der Betreiber hat aus dem Haus eine Unterkunft für bis zu 900 Menschen gemacht. In der Branche gilt der Staat als guter Mietzahler, der durchgehende Belegung garantiert.

Nun steht bereits die nächste Eröffnung an der Storkower Straße an. „Die Um- und Ausbaumaßnahmen des Bestandsgebäudes zu einer Gemeinschaftsunterkunft sind bereits weit fortgeschritten. Nach aktuellem Stand soll mit einer Belegung der Unterkunft am 1. Juni 2024 begonnen werden. Die Kapazität wird voraussichtlich 540 Plätze betragen“, meldet demnach Pankows Bezirksbürgermeisterin Cordelia Koch (Grüne) auf eine Anfrage aus der CDU-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung.

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Bereits im November hatte das Bezirksamt in einer umfangreichen Pressemitteilung, die auch dem Senat zur Kenntnis gebracht wurde, eine Art Überforderungsanzeige eingereicht. Demnach sei die bevorstehende Eröffnung an der Storkower Straße „insgesamt kritisch zu bewerten“. Die Region weise neben einer hohen Belegungsdichte mit Menschen in prekären Situationen auch eine unzureichende soziale Infrastruktur und eine schlechte Sozialprognose auf, heißt es in dem Schreiben. Vom Senat fühlt sich die Bezirksverwaltung alleingelassen. „Statt einer finanziellen Vorsorge für notwendige Integrationsleistungen folgen im Land Berlin Projekte auf Projekte“, heißt es.

Hinzu kommt der Ärger über die Verteilung des Geldes aus dem landeseigenen Integrationsfonds. „5 von 8 Millionen Euro des Integrationsfonds werden zu gleichen Teilen auf die Bezirke aufgeteilt und nur 3 Millionen Euro nach Belegungsstatistik des LAF“, kritisiert Bürgermeisterin Koch. Dabei müsse sich der Verteilungsschlüssel für soziale Infrastruktur an der Zahl der untergebrachten Geflüchteten orientieren. Eine Antwort des Senats auf den Brandbrief und den Fragenkatalog steht nach Auskunft des Bezirksamts aus.

Schwer vorstellbar, dass in einer solchen Lage eine weitere Großunterkunft in Pankow entsteht; und noch dazu in Buch, ganz weit draußen, wo die Infrastruktur schon jetzt schwächelt und die Menschen auf den Barrikaden sind.

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Schwer vorstellbar. Aber nicht unmöglich, meint Albrecht Broemme, vom Senat eingesetzter Koordinator für die Unterbringung von Geflüchteten. Er kenne die Pläne, wisse aber nicht, ob sie umgesetzt würden, sagt er der Berliner Zeitung. Generell gelte: „Eine Randlage wie in Buch ist nicht zur Integration geeignet.“

Beim LAF sind die Bucher Pläne noch nicht angekommen, sagt Monika Hebbingshaus aus der Pressestelle. „Ich kann verstehen, dass Pankow sagt, es gebe schon so viele Unterkünfte“, erklärt sie im Gespräch mit der Berliner Zeitung. Doch die Gesamtlage sei schwierig. „Wir haben in vielen Bezirken eine sehr dichte Stadt – also sucht man auch an den Rändern.“

QOSHE - Hotspot Pankow: Hat Buch Kapazitäten für weitere 1500 Flüchtlinge? - Elmar Schütze
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Hotspot Pankow: Hat Buch Kapazitäten für weitere 1500 Flüchtlinge?

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20.02.2024

Es ist ein Gerücht, eine Idee vielleicht, womöglich ein Plan. Noch nicht viel mehr. Doch die Befürchtungen sind jetzt schon groß. Und die Kritik auch. Nach Auskunft des Pankower CDU-Abgeordneten Johannes Kraft plant ein Geschäftsmann, eine Großunterkunft für Flüchtlinge hochzuziehen und sie dem Senat anzubieten. An der Zepernicker Straße in Berlin-Buch, tief im Nordosten der Stadt. Kurz vor der Grenze zu Brandenburg. Für 1500 Bewohner.

Der Politiker Kraft, in dessen Wahlkreis der Ortsteil Buch liegt, schlägt Alarm. „Eine zusätzliche Ballung von Flüchtlingen am Stadtrand muss vermieden werden“, sagt er der Berliner Zeitung. Neben vielen anderen Problemen sei die öffentliche Infrastruktur schon heute massiv überfordert.

Kraft selbst hat so seine Erfahrungen mit der Gemenge- und Gefühlslage vor Ort gemacht. Im Sommer 2022 eskalierte eine offenbar von der örtlichen AfD gekaperte Bürgerversammlung in Buch. Am Ende musste sich der CDU-Mann quasi allein gegen eine wütende Menge behaupten.

Damals ging es um eine Unterkunft an der Groscurthstraße. Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) hatte im Februar 2022 ein zwischenzeitlich geschlossenes und später als Corona-Testzentrum genutztes Containerdorf wieder bezogen. Zusammen mit zwei weiteren Unterkünften gibt es in Buch Kapazitäten für 1500 Menschen.

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18.02.2024

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Bei einer weiteren Anwohnerversammlung ein Jahr später hielten sich die Teilnehmer im Zaum. Aber sie berichteten von........

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