Die Bühne war bereitet, die Rollen waren verteilt. Das Opfer und die einzige Akteurin bei dieser Aufführung: Kristin Brinker, die Fraktionsvorsitzende der AfD im Berliner Abgeordnetenhaus. Die Täter – die Chefs der Berliner Filmfestspiele – waren nicht eingeladen.

Kristin Brinker, Frontfrau der AfD in Berlin, gab am Freitagvormittag ein Statement ab. Es begann so: „Das Vorgehen der Berlinale-Leitung hat mich erstaunt und auch befremdet.“ In den vergangenen zwei Jahren sei sie stets bei der Eröffnungsgala der Berlinale gewesen, „selbstverständlich, so wie alle anderen Fraktionschefs aus dem Abgeordnetenhaus“. Es habe nie Probleme gegeben. Und jetzt das!

Was war passiert? Üblicherweise werden alle Fraktionschefs und medienpolitischen Sprecher im Abgeordnetenhaus sowie Mitglieder aller Bundestagsfraktionen zur Berlinale-Eröffnung eingeladen. Schließlich sind Landes- und Bundespolitik wichtige Geldgeber der Filmfestspiele. Am Donnerstag nun wurde alles anders: Die Berlinale-Leitung lud fünf AfD-Vertreter aus, darunter Kristin Brinker und den Berliner Medienpolitiker Ronald Gläser.

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Die Gründe für diesen Schritt lieferte die Berlinale-Leitung per Pressemitteilung: Man habe in den letzten beiden Tagen intensiv diskutiert, sich „mit dem Selbstverständnis der Berlinale als demokratischer Kulturinstitution“ und dem Leitbild des Festivals auseinandergesetzt, hieß es. „Wir haben bisherige politische Selbstverständlichkeiten jetzt mit Blick auf die AfD und ihre teils klar rechtsextremistischen Stellungnahmen aufgekündigt“, schrieb Berlinale-Co-Chefin Mariette Rissenbeek, „und uns damit klar positioniert.“ Wer demokratische Grundrechte abschaffen wolle und Positionen vertrete, die Menschen diskriminieren und ausgrenzen, sei auf der Berlinale nicht willkommen.

Die Berlinale-Leitung setze sich damit ihrerseits „dem Vorwurf aus, sich antidemokratisch zu verhalten“. Dabei stehe sie persönlich stets zum Dialog bereit, das wisse auch die Berlinale-Leitung, betonte Brinker. Und im Übrigen: Die AfD sei offen für viele Meinungen und Lebensentwürfe. Doch die Partei wisse auch von „erheblichen Verwerfungen“ und Missständen in der Gesellschaft. Die Kultur- und Filmbranche dürfe nicht Teil dieser Missstände werden, sagte Kristin Brinker – unkommentiert. Nachfragen ließ sie nicht zu.

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Für die AfD kam die Ausladung wie gerufen, konnte sie damit doch ihr liebstes Spiel weiterspielen: Die „einzige“ echte Oppositionspartei werde ausgeschlossen, ja „stigmatisiert“, wie Brinker es am Freitag geradezu genüsslich sagte. Und, nein, es gehe dabei keineswegs nur um ihre Person, vielmehr seien es „weite Teile der Gesellschaft“, die „ausgegrenzt“ und pauschal von einem der wichtigsten Kulturereignisse des Landes ausgeschlossen würden.

Darüber, wie es so weit kommen konnte, wie die Berlinale den Rechten derart Gelegenheit geben konnte, ihren Opfermythos weiterzuerzählen, ist viel geschrieben worden. Auslöser war ein über das amerikanische Portal Deadline und den Hollywood Reporter veröffentlichter offener Brief. Tenor: Was? Zur Berlinale sind auch AfD-Politiker eingeladen? Skandal! Diverse Film- und Medienschaffende unterschiedlicher Herkunft stimmten darin ein. Und am Ende bleibt das Bild einer durch ihren lange bekannten Abschied geschwächten Festivalleitung, die unter Druck eingeknickt ist und der Anti-AfD-Sache damit einen Bärendienst erwiesen hat.

QOSHE - AfD-Ausladung: Berlinale erleichtert den Rechten das Spiel - Elmar Schütze
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AfD-Ausladung: Berlinale erleichtert den Rechten das Spiel

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09.02.2024

Die Bühne war bereitet, die Rollen waren verteilt. Das Opfer und die einzige Akteurin bei dieser Aufführung: Kristin Brinker, die Fraktionsvorsitzende der AfD im Berliner Abgeordnetenhaus. Die Täter – die Chefs der Berliner Filmfestspiele – waren nicht eingeladen.

Kristin Brinker, Frontfrau der AfD in Berlin, gab am Freitagvormittag ein Statement ab. Es begann so: „Das Vorgehen der Berlinale-Leitung hat mich erstaunt und auch befremdet.“ In den vergangenen zwei Jahren sei sie stets bei der Eröffnungsgala der Berlinale gewesen, „selbstverständlich, so wie alle anderen Fraktionschefs aus dem Abgeordnetenhaus“. Es habe nie Probleme gegeben. Und jetzt das!

Was war passiert? Üblicherweise werden alle Fraktionschefs und medienpolitischen Sprecher im Abgeordnetenhaus sowie Mitglieder aller Bundestagsfraktionen zur Berlinale-Eröffnung eingeladen. Schließlich sind Landes- und........

© Berliner Zeitung


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