Berlin bekommt 16 neue Containerdörfer für Flüchtlinge mit insgesamt 6130 Plätzen. Allein neun dieser Standorte verteilen sich auf drei Ostbezirke. Am stärksten betroffen ist Lichtenberg mit allein vier Standorten, es folgen Pankow mit drei und Treptow-Köpenick mit zwei Standorten. Auch in Reinickendorf entstehen zwei Containerdörfer, in Spandau, Tempelhof-Schöneberg, Neukölln, Steglitz-Zehlendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf je eines. Marzahn-Hellersdorf, Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg gehen leer aus. Das hat der Berliner Senat in seiner heutigen Sitzung beschlossen.

Die Häufung der neuen Standorte in den Ostbezirken trägt dazu bei, dass sich das Ungleichgewicht noch weiter verschärft. So nimmt Pankow als bevölkerungsreichster Bezirk Berlins schon jetzt fast 16 Prozent aller hauptstädtischen Flüchtlinge auf – in keinem Bezirk sind es mehr. Nach Auskunft des Bezirksamts Pankow leben derzeit dort etwa 5000 Menschen. Nun kommen noch einmal bis zu 1400 Menschen hinzu.

Diesmal wird der Nachbarbezirk Lichtenberg besonders belastet, und dort insbesondere der Stadtteil Hohenschönhausen. Allein an der Darßer Straße wurden zwei Standorte identifiziert, unweit davon an der Klützer Straße ein weiterer. Bereits jetzt gibt es in Hohenschönhausen sechs Standorte der Flüchtlingsunterbringung. Insgesamt würde die Anzahl in Lichtenberg von zwölf auf 16 steigen. Mit den geplanten 1600 neuen Plätzen käme Lichtenberg auf insgesamt rund 6000.

Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Martin Schaefer zeigt sich im Gespräch mit der Berliner Zeitung „stark irritiert“ über die Entscheidung. Alle vier Standorte seien inakzeptabel, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Mal spreche der Artenschutz gegen eine Bebauung, mal der Lärmschutz, es fehle an sozialer Infrastruktur und vor allem an Planungsrecht.

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22.03.2024

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24.03.2024

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Doch der CDU-Politiker holt noch weiter aus. Sein Bezirk leiste jetzt schon seinen Beitrag, ein weiterer Zuwachs wäre auch politisch kaum mehr erklärbar. Ein kategorisches Nein kommt von ihm zur Massierung in Hohenschönhausen. „Das lehne ich entschieden ab.“

Schaefer will nicht nur über seinen Bezirk sprechen, sondern er nimmt auch die unmittelbaren Nachbarn mit ins Boot. Mit Lichtenberg und Pankow wären zwei Bezirke besonders betroffen, die ohnehin schon zur Top 4 der Flüchtlingsunterbringung gehören. Vor diesem Hintergrund sei es besonders schwer zu akzeptieren, dass manche Bezirke erneut verschont blieben. „Ich plädiere eindeutig für eine gerechtere Verteilung“, sagt er. Er wolle sich nun förmlich beschweren bei der Senatsverwaltung für Integration und bei der Senatskanzlei, so Schaefer.

Also wird auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) Post bekommen. Am Dienstag sprach Wegner im Anschluss an die Senatssitzung von einem „starken Signal“. Damit meinte er freilich nicht die Positionierung der einzelnen Standorte in der Stadt, sondern die Tatsache an sich, dass sich der Senat auf so eine große Zahl geeinigt habe. Darüber hinaus gab sich Wegner sicher: „Ich glaube, das werden nicht die letzten sein.“

Der CDU-Politiker erinnerte bei der Gelegenheit an die gemeinsamen Ziele der Berliner Landesregierung: „Das ist a) Jeder, der zu uns kommt, soll ein Dach über dem Kopf haben. Und b) Wir wollen eine dezentrale Unterbringung.“

Vor allem Punkt b) steht seit Wochen und Monaten im Zentrum der Auseinandersetzung in- und außerhalb des Senats. So ging es zuletzt oft um den Ausbau der beiden Großunterkünfte auf den früheren Flughäfen Tegel und Tempelhof.

Und dies trifft vor allem bei Integrationssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) einen wunden Punkt, bieten doch Großunterkünfte die denkbar schlechtesten Voraussetzungen für gelingende Integration. Deshalb waren Kiziltepes Worte am Dienstag auch so wichtig. Sie sagte, wie auch Wegner: „Ich betone, dass alle Beschlüsse einstimmig gefasst wurden.“

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Mit diesem Paket, so Wegner und Kiziltepe unisono, stelle sich Berlin zumindest für die kommenden Monate gut auf. Denn eines prognostizierten beide eindeutig: Mit dem beginnenden Frühjahr werden wieder mehr Menschen kommen, vor allem aus der Ukraine, der Türkei, Syrien und Afghanistan.

Dazu gehört im Übrigen auch ein weiterer Ausbau von Tegel. So wurde die Nutzung nicht nur um ein weiteres Jahr bis Ende 2025 verlängert. Es wird auch noch einmal aufgestockt. So sollen auf einem Parkplatz weitere Leichtbauhallen mit 1000 Plätzen entstehen. Damit werde die Kapazität in Tegel auf jene 7000 erweitert, auf die sich der Senat bereits im vergangenen Herbst geeignet hatte.

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Doch es bleiben drängende Fragen: Wie sieht es aus mit der sozialen Infrastruktur an Ort und Stelle, seien es Schul- oder Kitaplätze – aber auch Arztpraxen, Geschäfte oder ganz einfach Aufenthaltsmöglichkeiten? Und, natürlich: Wer soll das bezahlen?

Bei der Frage nach der Beschulung war es zuletzt zum Konflikt zwischen SPD-Frau Kiziltepe und Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) gekommen. Stand jetzt bleibt es bei den Zuständigkeiten: Kiziltepes Verwaltung kümmert sich um die schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen, die mit ihren Familien nach Berlin gekommen sind. Günther-Wünsch ist dagegen für die unbegleiteten Flüchtlinge zuständig. Wie damit der Konflikt um die Beschulung in- und außerhalb der Großunterkünfte gelöst sein solle, erschloss sich am Dienstag nicht recht.

Bleibt das Geld. „Die Bundesregierung muss sich stärker beteiligen“, sagt Wegner. Das im Dezember genehmigte Geld „reicht bei Weitem nicht“. Senatorin Kiziltepe erinnerte an einen früheren Vorstoß von ihr, insbesondere die Stadtstaaten bei der Verteilung der Menschen zu entlasten.

QOSHE - Ärger um neue Flüchtlingsdörfer: Sechs davon sollen in Ostbezirken entstehen - Elmar Schütze
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Ärger um neue Flüchtlingsdörfer: Sechs davon sollen in Ostbezirken entstehen

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26.03.2024

Berlin bekommt 16 neue Containerdörfer für Flüchtlinge mit insgesamt 6130 Plätzen. Allein neun dieser Standorte verteilen sich auf drei Ostbezirke. Am stärksten betroffen ist Lichtenberg mit allein vier Standorten, es folgen Pankow mit drei und Treptow-Köpenick mit zwei Standorten. Auch in Reinickendorf entstehen zwei Containerdörfer, in Spandau, Tempelhof-Schöneberg, Neukölln, Steglitz-Zehlendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf je eines. Marzahn-Hellersdorf, Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg gehen leer aus. Das hat der Berliner Senat in seiner heutigen Sitzung beschlossen.

Die Häufung der neuen Standorte in den Ostbezirken trägt dazu bei, dass sich das Ungleichgewicht noch weiter verschärft. So nimmt Pankow als bevölkerungsreichster Bezirk Berlins schon jetzt fast 16 Prozent aller hauptstädtischen Flüchtlinge auf – in keinem Bezirk sind es mehr. Nach Auskunft des Bezirksamts Pankow leben derzeit dort etwa 5000 Menschen. Nun kommen noch einmal bis zu 1400 Menschen hinzu.

Diesmal wird der Nachbarbezirk Lichtenberg besonders belastet, und dort insbesondere der Stadtteil Hohenschönhausen. Allein an der Darßer Straße wurden zwei Standorte identifiziert, unweit davon an der Klützer Straße ein weiterer. Bereits jetzt gibt es in Hohenschönhausen sechs Standorte der Flüchtlingsunterbringung. Insgesamt würde die Anzahl in Lichtenberg von zwölf auf 16 steigen. Mit den geplanten 1600 neuen Plätzen käme........

© Berliner Zeitung


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