Alle Initiativen, Regierungen und Landwirtschaft an einen Tisch zu bringen, blieben ohne Erfolg. Deshalb ist der Zorn so groß und der Bauern-Protest so gewaltig.

Im Morgengrauen erhob sich rund ums Regierungsviertel in Berlin ein zunächst noch leises Summen. Hunderte Trecker fuhren in die Hauptstadt ein, zum Motorengeräusch gesellte sich bald ein lautes Hupkonzert, das sogar Kirchenglocken übertönte. Man konnte die Wucht des Protestes eigentlich nicht überhören, die Regierung hat es trotzdem geschafft. Das Schlimme dabei ist: Sie hört nicht einfach nur weg, sie treibt ihre Ignoranz gerade auf die Spitze.

Die Landwirtschaft ist in Deutschland längst als kritische Infrastruktur eingestuft. Es geht dabei um Lebensmittelsicherheit und um Daseinsvorsorge, einen Eindruck von der Problematik lieferte die Getreideknappheit nach dem Einmarsch der Russen in die Ukraine. Angesichts des Klimawandels und zunehmender Dürren wird sich das Problem eher noch verschärfen. Logisch wäre es also, die Agrarwirtschaft zu stärken.

Die Ampel hat sich nicht nur entschieden, das Gegenteil zu tun, indem sie hunderte Millionen Euro an Subventionen kürzt. Sie geht sogar noch einen Schritt weiter und entmutigt die Bäuerinnen und Bauern langfristig, indem sie weitere Kürzungen, etwa beim Diesel, auf die Folgejahre verschiebt. Die Botschaft ist also, dass es morgen schlecht wird und übermorgen noch schlechter. Wer den elterlichen Hof übernehmen oder sonst wie in die Landwirtschaft einsteigen möchte, wird sich das noch mal genau überlegen.

Über den Sinn von Subventionen lässt sich trefflich streiten. Wer aber - wie die Ampel - 10 Milliarden Euro für eine Chip-Fabrik bezahlt und damit Arbeitsplätze zu einer Million Euro das Stück schafft, bei 2,4 Milliarden für den Agrarbereich aber knausert, hat ein Argumentationsproblem. Mehr noch: Dieser Vorgang ist ein Skandal, zumal die in Magdeburg geplante Fabrik offenbar mit weiteren Vergünstigungen etwa beim Strompreis rechnen kann.

Die Regierung ignoriert nicht nur die Probleme der Landwirtschaft. An den Protesten in Berlin beteiligten sich auch Handwerkerinnen, Spediteure und viele andere. Sie alle spüren einen ungeheuren Kostendruck, SPD, Grüne und FDP nehmen das aber nicht ernst. Sie versuchen sich stattdessen in einer hochnotpeinlichen Kommunikationsstrategie: In Wahrheit gehe es doch, heißt es, gar nicht ums Geld, sondern um Planungssicherheit und ein Zuviel an Bürokratie. Das Angebot, letztere zu reduzieren, ist billig zu haben. Schon jede Regierung wollte die Bürokratie abbauen, geklappt hat das nie.

Andere Ampel-Vertreter legen noch eine Schippe drauf, in dem sie die Protestler vor einer Vereinnahmung durch Rechtspopulisten warnen. Diese Bevormundung ist ungeheuerlich, stellt sie doch den gesunden Menschenverstand der Demonstrierenden in Frage. Die wissen sich gegen Reichsbürger und andere schon zu wehren. Zumindest das Innenministerium von Nancy Faeser (SPD) hat das auch schon eingesehen und stellt fest, dass es zwar überall im Bundesgebiet Störversuche von Rechten gab, sie aber gegen den Protest überhaupt nicht durchdringen konnten.

„Sie säen nicht, sie ernten nicht, aber sie mischen sich in alles ein“, lautete mit Blick auf die Ampel ein Slogan auf der Kundgebung. An dem Spruch ist leider viel dran.

Sie haben nicht die Berechtigung zu kommentieren. Bitte beachten Sie, dass Sie als Einzelperson angemeldet sein müssen, um kommentieren zu können. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an moderator@augsburger-allgemeine.de.

Um kommentieren zu können, gehen Sie bitte auf "Mein Konto" und ergänzen Sie in Ihren persönlichen Daten Vor- und Nachname.

Bitte melden Sie sich an, um mit zu diskutieren.

QOSHE - Bauern-Proteste: Die Ampel hat beschlossen, einfach nicht hinzuhören - Stefan Lange
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Bauern-Proteste: Die Ampel hat beschlossen, einfach nicht hinzuhören

21 0
15.01.2024

Alle Initiativen, Regierungen und Landwirtschaft an einen Tisch zu bringen, blieben ohne Erfolg. Deshalb ist der Zorn so groß und der Bauern-Protest so gewaltig.

Im Morgengrauen erhob sich rund ums Regierungsviertel in Berlin ein zunächst noch leises Summen. Hunderte Trecker fuhren in die Hauptstadt ein, zum Motorengeräusch gesellte sich bald ein lautes Hupkonzert, das sogar Kirchenglocken übertönte. Man konnte die Wucht des Protestes eigentlich nicht überhören, die Regierung hat es trotzdem geschafft. Das Schlimme dabei ist: Sie hört nicht einfach nur weg, sie treibt ihre Ignoranz gerade auf die Spitze.

Die Landwirtschaft ist in Deutschland längst als kritische Infrastruktur eingestuft. Es geht dabei um Lebensmittelsicherheit und um Daseinsvorsorge, einen Eindruck von der Problematik lieferte die Getreideknappheit nach dem Einmarsch der Russen in die Ukraine. Angesichts des Klimawandels und........

© Augsburger Allgemeine


Get it on Google Play