Berlin/München - Vor dem Hintergrund der Haushaltskrise hat CSU-Chef Markus Söder am Montag in Berlin Neuwahlen gefordert und gleichzeitig eine Wiederauflage der Großen Koalition aus Union und SPD favorisiert. "Wir sind in einer Staatskrise in Deutschland", begründete Bayerns Ministerpräsident seine Forderung und nannte mit dem 9. Juni 2024 auch gleich einen Termin.

An diesem Tag finden die Europawahl sowie Kommunalwahlen in neun Bundesländern statt. Vorgezogene Neuwahlen sind ausnahmsweise nur möglich, wenn der Bundestag durch den Bundespräsidenten aufgelöst wird. Kanzler Olaf Scholz könnte Neuwahlen nicht ansetzen, sie aber einleiten, indem er die Vertrauensfrage stellt.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit machte deutlich, dass dies nicht geplant ist. Söder hingegen bezweifelte, dass die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP die Kraft für grundlegende Veränderungen habe und bis 2025 durchregieren könne. "Ich glaube, dass die Fliehkräfte groß sind", sagte der CSU-Politiker in Berlin. Eine vorzeitige Neuwahl wäre der "richtige Weg". "Die Ampel sollte die Vertrauensfrage stellen. Nicht im Parlament, sondern vor dem deutschen Volk."

Rein rechnerisch würde es den Umfragen zufolge für Schwarz-Grün oder Schwarz-Rot reichen. Söder gab letzterem den Vorzug. Weiter sagte Söder, Schwarz-Grün sei "ein gutes Modell für schöne Zeiten, aber für schwere Zeiten einfach nicht". Er glaube auch nicht, "dass die FDP noch in der Lage ist, dauerhaft ein stabiler Regierungspartner zu sein".

Innerhalb der Union wird im Zusammenhang mit Schwarz-Rot auf Hessen verwiesen. Dort wollen nach der Landtagswahl CDU und SPD eine Regierung bilden, nachdem die Konservativen zehn Jahre lang mit den Grünen zusammengearbeitet hatten. Von einer vorgezogenen Neuwahl könnte auch der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz profitieren, der dann mit großer Wahrscheinlichkeit als Kanzlerkandidat ins Rennen gehen würde.

Vorgezogene Neuwahlen gab es in der Bundesrepublik in den Jahren 1972, 1982 und 2005. Die jeweiligen Kanzler Willy Brandt (SPD), Helmut Kohl (CDU) und Gerhard Schröder (SPD) wollten ihre Macht absichern und sorgten dafür, dass sie im Bundestag mit der Vertrauensfrage scheiterten. Sie erhielten nicht die notwendige Mehrheit im Parlament, der Bundespräsident kam jeweils der Bitte zur Auflösung des Bundestages nach.

Dieses Vorgehen sorgt regelmäßig für Debatten und Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht. Kritiker warnen vor politischem Missbrauch und instabilen "Weimarer Verhältnissen" durch wiederholte Parlamentsauflösungen. Mit großer Spannung wird vor diesem Hintergrund die Regierungserklärung von Kanzler Scholz an diesem Dienstag im Bundestag erwartet. Der SPD-Politiker hat 25 Minuten Redezeit, um dem Wahlvolk die Haushaltslage zu erklären, es schließt sich eine zweistündige Debatte an.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr erklärte: "Wir befinden uns in einer herausfordernden Situation, aber wir sind weiterhin dabei, eine Trendwende in der Finanzpolitik herbeizuführen." Ob diese Wende der Ampel Stabilität verleiht, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Allein der koalitionsinterne Streit über die Energiepreisbremsen für Strom und Gas - die FDP will sie auslaufen lassen, die SPD wirbt dagegen für weitere Hilfen - birgt erhebliches Spaltungspotenzial.

QOSHE - "Staatskrise": CSU-Chef Söder mit brisanter Forderung - Stefan Lange
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"Staatskrise": CSU-Chef Söder mit brisanter Forderung

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27.11.2023

Berlin/München - Vor dem Hintergrund der Haushaltskrise hat CSU-Chef Markus Söder am Montag in Berlin Neuwahlen gefordert und gleichzeitig eine Wiederauflage der Großen Koalition aus Union und SPD favorisiert. "Wir sind in einer Staatskrise in Deutschland", begründete Bayerns Ministerpräsident seine Forderung und nannte mit dem 9. Juni 2024 auch gleich einen Termin.

An diesem Tag finden die Europawahl sowie Kommunalwahlen in neun Bundesländern statt. Vorgezogene Neuwahlen sind ausnahmsweise nur möglich, wenn der Bundestag durch den Bundespräsidenten aufgelöst wird. Kanzler Olaf Scholz könnte Neuwahlen nicht ansetzen, sie aber einleiten, indem er die Vertrauensfrage stellt.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit machte deutlich, dass dies nicht geplant ist. Söder........

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