Leben mit Essstörung: Das verzerrte Spiegelbild

Hinweis: In diesem Artikel geht es um ungesunde Körperbilder und Essstörungen. Falls du auf diese Themen sensibel reagierst, lies diesen Beitrag vielleicht mit einer vertrauten Person, mit der du auch unterbrechen kannst, um dich mit ihr über das Gelesene zu unterhalten.

Clara* weiß genau, wie viele Kalorien der Apfel in der Obstschale hat. Sie hat die Zahlen auf der Müsliriegelverpackung fest im Kopf und auch den Mandeldrink für ihr Müsli hat sie schon oft berechnet. „Ich glaube, dieses Denken werde ich nie ganz verlieren”, sagt die 31-Jährige. Manche Muster einer Essstörung bestehen einfach über die Krankheit hinweg fort.

Die Wienerin ist älter als viele andere, die ähnlich erkranken, als die Essstörung bei ihr ausbricht. Clara wächst in einer konservativen Familie auf, ihr Vater neigt zu sadistischem Verhalten. Seine Launen sind unberechenbar, wenn er wütend wird, wird er Clara gegenüber gewalttätig. „Wenn es mir schlecht ging, habe ich mich oft eher unterversorgt, wie zur Bestrafung. Vielleicht wollte ich dadurch auch unsichtbar werden und meinem Vater weniger Angriffsfläche bieten.”

Später in ihrem Leben, als Clara 27 Jahre alt ist, kommt vieles zusammen: Eine lange belastende Arbeitssituation, Diskriminierung und eine Identitätskrise zwischen alten Glaubensmustern und ihrer queeren Identität, die sie nicht mehr länger verstecken möchte. „Es war so viel auf einmal – schwierige Kindheit, meine Mutter ist früh verstorben, dann diese Glaubens-Bubble, das Outing in der Arbeit und die Reaktionen darauf.“

In dieser Zeit beginnt sie abzunehmen. Zuerst schleichend, dann immer schneller. Sie wiegt sich öfter, zählt Kalorien, reduziert Mahlzeiten. „Ich hab das gar nicht aktiv geplant. Um mein Gewicht ging es mir gar nicht. Irgendwann war es einfach schon sehr weit unten.“

Die erste, die Alarm schlägt, ist........

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