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Zwei Beziehungen zur Langeweile

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27.12.2025

Ich sehe sie immer nur von der Ferne, sie lümmelt da, unscheinbar, und doch spüre ich ihre Präsenz. Sie starrt mich an, versucht mich zu umgarnen. Hat sie mir gerade zugezwinkert? Alle anderen, wie zum Beispiel meine Kollegin, reden davon, wie gut es getan hat, sich auf sie einzulassen; wie befreiend es sei, sie mal zu daten, ob sporadisch oder regelmäßig. Aber ich habe sie noch nie an mich rangelassen. Aus Angst, dass ich dann merke, wie gut sie mir täte.

Mein Name ist Nora, und ich führe eine komplizierte Beziehung … mit der Langeweile.

Ich öffne meine Kalender-App am Handy, ich sehe lauter kleine, bunte Kacheln, die sich aneinanderdrängen. Ich sehe keinen freien Platz. Ach, herrlich. Nur ein kurzer Blick reicht, um sie, die Langeweile, zu verscheuchen, sie zu verdrängen, fast schon zu vergessen, dass sie existiert. Mir wird warm um mein Herz. Ich schaffe es einfach nicht, nichts zu tun, geschweige denn Langeweile zuzulassen.
Immer wenn die Chance bestünde, in einem leeren Moment zu versinken, ertappe ich mich dabei, wie ich frage: „Was genau bedeutet es eigentlich, nichts zu tun?“

Ich glaube, es ist eine Art Angst, dass ich die Zeit nicht genug auskoste. Der Druck, dass ich jede Minute etwas Wertvolles machen muss: Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Bin ich ein Produkt der Leistungsgesellschaft? Zählt für mich Zeit nur, wenn ich produktiv bin?

Ach egal, ich zück mal mein Smartphone. Ich öffne Instagram und sehe, wie mir „Me-Time“-Reels vorgeschlagen werden. Hier wird das Nichtstun romantisiert, und natürlich auch perfektioniert. Die schummeln bei diesem Framing ja genauso wie ich! Oder muss Me-Time wirklich immer mit einer kühlenden Gesichtsmaske, Journaling, Yoga oder Snacks und Serien im Bett einhergehen? Trotzdem erwische ich mich dabei, wie ich den Bullet Point „heute mal chillen“” auf meine To-Do-Liste schreibe, mir im Kalender einen Termin mit........

© Wiener Zeitung