Bewusster reisen im Last-Chance-Zeitalter

Bevor ich in die Schule kam, lebten wir in einem kleinen Ort in der Nähe von Wien. Um die Ecke lag eine Hangwiese, auf der wir in der kalten Jahreszeit rodelten. Heute geht das nicht mehr. Die Rodelwiese ist weg. Und zwar nicht nur, weil sie verbaut wurde, sondern auch, weil der Schnee in dem Ort jetzt nicht mehr lange genug liegenbleibt, um einen guten Rodeluntergrund zu bilden.

Schon 2024 war das wärmste Jahr der Messgeschichte. Doch die CO2-Emissionen, die die Erde erhitzen, steigen weiter. Laut dem jüngsten Bericht zum weltweiten Kohlenstoffbudget, dem Global Carbon Budget Report 2025, sind es um 1,1 Prozent mehr als im Vorjahr. Die höheren Temperaturen lassen die Pole abschmelzen und den Meeresspiegel ansteigen. Und ähnlich wie mein Rodelhügel keiner mehr ist, trocknen Seen aus, schmelzen Gletscher ab und versinken Inselwelten im Meer.

Wir werden daher überlegen müssen, welche Orte wir noch besuchen wollen, bevor es sie nicht mehr gibt. Eines vorweg: Das hier ist keine Empfehlung für einen hektischen Letzte Chance-Tourismus - also den kontroversiellen Trend zum hektischen Besuch gefährdeter Orte, damit man sie noch gesehen hat, bevor es zu spät ist. Es geht nicht darum, die Naturwunder der Welt auf einer persönlichen Bucket List der Reihe nach abzuklappern. Sondern es geht um eine rationale und schmerzhafte Diagnose, dass viele........

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