Essen. Die Empörung ist groß nach den sogenannten Pro-Palästina-Demos in Essen, Düsseldorf und Duisburg. Wie konsequent wird Hendrik Wüst reagieren?

Mir will dieses Bild von den zwei Aktivisten auf der „Pro-Palästina“-Kundgebung in Düsseldorf nicht aus dem Kopf: Beide haben sich mit einem Tapeband demonstrativ den Mund zugeklebt. Ihre Botschaft soll sein: Hier, in Deutschland, dürften sie nicht sagen, was sie denken. In der Tat: Israel das Existenzrecht abzusprechen, offen für Gewalt und Terror einzutreten, ist hierzulande verboten. Und doch ist es zum Beispiel möglich, dass 3000 Demonstranten in Essen offen für einen Kalifatstaat eintreten und sich damit ungeniert gegen unsere verfassungsmäßige Ordnung stellen. Da kommt kein Ordnungshüter, der solche Plakate herunterreißt, die Demonstranten festnimmt und wegschafft.

Deutschland, skandierten sie am Wochenende auch in Düsseldorf und Duisburg, finanziere das Töten von Kindern. Gemeint ist die deutsche Unterstützung für Israel, das Krieg führt im Gaza-Streifen als Reaktion auf den Hamas-Terror – und dessen Bomben auch Zivilisten treffen, weil die Terroristen ihre Infrastruktur bewusst eng verwoben haben mit zivilen Einrichtungen wie zum Beispiel Krankenhäusern. In kaum einem anderen Land der Welt dürften sich Demonstranten derart offen gegen staatliches Handeln und das politische System stellen wie in Deutschland. Und doch kleben sich diese Menschen die Münder zu.

Haben die eigentlich noch alle Tassen im Schrank? Haben wir noch alle Tassen im Schrank?

Ganz ehrlich: Es wäre gut und richtig, wenn man Islamisten, die sich ein Kalifat in Deutschland wünschen, den Mund verbietet. Unser Problem ist nicht ein Zuwenig an Meinungsfreiheit. Unser Problem ist, dass wir Feinden der Freiheit nicht schnell und konsequent genug Einhalt gebieten.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst findet die Demonstrationen immerhin „völlig inakzeptabel“. Sein Innenminister Herbert Reul will die Auflagen für solche Kundgebungen auf den Prüfstand stellen. Ich würde mir wünschen, dass die Formulierung „auf den Prüfstand stellen“ kurzfristig durch das Wort „verschärfen“ ersetzt wird. Wir haben da keine Zeit mehr zu verlieren, sehr wohl aber noch mehr Autorität des Rechtsstaats.

Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen hat nach der Kundgebung in Essen, auf der Ahmad Tamim von der berüchtigten Gruppierung „Generation Islam“ der Hauptredner war, etwas sehr Richtiges gesagt: „Den Initiatoren ging es offensichtlich weniger um das Leid der Menschen im Gaza-Streifen, sondern viel mehr um die Verbreitung radikalislamistischer Parolen.“ Das passt sehr gut zu einem Gastbeitrag des Publizisten und Islam-Experten Murat Kayman auf „Spiegel Online“. Er weist darauf hin, dass es auch im Krieg zwischen Saudi-Arabien und den jemenitischen Huthi-Rebellen jede Menge zivile Opfer gibt, darunter tausende getötete Kinder.

Die Parallelen zum Israel-Hamas-Krieg sind frappierend: Da ist eine modern ausgestattete Armee, die mit US-Unterstützung gegen paramilitärische Einheiten kämpft, deren Gebiete bombardiert und von jeglicher Versorgung mit Wasser und Energie abschneidet. Leidtragende sind die Zivilisten, wie jetzt in Gaza. Wo aber sind die Demonstrationen in Deutschland für diese muslimischen Opfer? Warum geht für sie niemand auf die Straße? Die Antwort, so Kayman, sei ganz einfach: Weil keine Juden beteiligt sind. Seine, wie ich finde treffende, Schlussfolgerung: Der Antrieb der Pro-Palästina-Demonstranten ist nicht das Eintreten für die Palästinenser, sondern ihr eigener unbändiger Antisemitismus.

Mehr noch: Bei den Mund-zu-Klebern und Kalifatstaat-Fans handelt sich nicht nur um Antisemiten und Antidemokraten, sondern auch um Ignoranten und moralisch Verkommene, die ihre eigene Religion verraten.

Der Chefredakteur unserer FUNKE-Zentralredaktion in Berlin, Jörg Quoos, hat sich auf Einladung der israelischen Botschaft in Berlin mit anderen deutschen Journalistinnen und Journalisten erstmals unzensierte Originalaufnahmen ansehen können, die den Hamas-Terror in seiner unfassbaren Brutalität zeigen. Die Aufnahmen, so berichtet Quoos, stammen aus den Mobiltelefonen von Opfern, Webcams der Kibbuze, von Ermittlern, die Beweise nach den ersten Angriffen filmisch sicherten und besonders häufig von den Tätern, die sich mit ihren Horrorvideos in den sozialen Netzwerken feiern. Man mag sich kaum vorstellen, was der Kollege da sehen musste. Schon seine stark gefilterten Beschreibungen im Artikel sind nur schwer zu ertragen.

Und die Pro-Palästina-Demonstranten? Sie schieben es beiseite, wiegeln ab, verharmlosen, relativieren; die Schlimmsten unter ihnen feiern den Terror der Hamas sogar. Dabei ist es der Koran selbst, der das Töten von Frauen und Kindern im Krieg verbietet. Das gut zu finden ist schlicht unmuslimisch. Würden jene, die sich demonstrativ den Mund zukleben, wirklich für Meinungsfreiheit und Pluralismus eintreten, dann würden sie es auch zulassen, dass nicht nur für eine „Befreiung Palästinas“ durch, sondern von der Hamas demonstriert werden könnte. Doch solche Parolen lässt man in den eigenen Reihen offenbar nicht zu.

Differenzierung ist naturgemäß nicht das Ding von Radikalen. Sie sind an einer Zwei-Staaten-Lösung, für die hierzulande viele Menschen, auch viele Juden, ebenfalls auf die Straße gehen würden, nicht interessiert. Gemeinsam könnte man etwa die Siedlungspolitik der israelischen Regierung kritisieren. Das nämlich darf man in Deutschland tun, und das passierte und passiert auch. Nur in dem Moment, in dem Babys erschossen, Kinder verbrannt, Frauen vergewaltigt und verschleppt werden, steht Israel-Kritik nicht im Vordergrund.

Es ist wenig wahrscheinlich, dass Islamisten dafür Verständnis aufbringen. Diese Leute muss man auch nicht anhören, sondern man muss ihre Propaganda eindämmen. Sie nutzen unser Demonstrationsrecht aus, nicht aus Menschlichkeit und Fürsorge für die leidenden Bewohnerinnen und Bewohner in Gaza, sondern um die Basis ihrer Bewegung zu verbreitern, um junge Leute anzulocken, die die Komplexität des Nahost-Konflikts und seine historischen Bezüge nicht begreifen wollen oder können. Schieben wir dem bitte rasch einen Riegel vor.

Auf bald.

Klare Kante, klare Meinung – das ist Klartext, die kommentierende Kolumne von Alexander Marinos, stellvertretender Chefredakteur der WAZ. Hier werden aktuelle politische Themen aufgegriffen und subjektiv-zugespitzt eingeordnet. Dabei handelt es sich um ein Meinungsangebot zum An- oder Ablehnen, An- oder Aufregen.

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Anti-Israel-Demos: Den Islamisten jetzt den Mund verbieten!

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06.11.2023

Essen. Die Empörung ist groß nach den sogenannten Pro-Palästina-Demos in Essen, Düsseldorf und Duisburg. Wie konsequent wird Hendrik Wüst reagieren?

Mir will dieses Bild von den zwei Aktivisten auf der „Pro-Palästina“-Kundgebung in Düsseldorf nicht aus dem Kopf: Beide haben sich mit einem Tapeband demonstrativ den Mund zugeklebt. Ihre Botschaft soll sein: Hier, in Deutschland, dürften sie nicht sagen, was sie denken. In der Tat: Israel das Existenzrecht abzusprechen, offen für Gewalt und Terror einzutreten, ist hierzulande verboten. Und doch ist es zum Beispiel möglich, dass 3000 Demonstranten in Essen offen für einen Kalifatstaat eintreten und sich damit ungeniert gegen unsere verfassungsmäßige Ordnung stellen. Da kommt kein Ordnungshüter, der solche Plakate herunterreißt, die Demonstranten festnimmt und wegschafft.

Deutschland, skandierten sie am Wochenende auch in Düsseldorf und Duisburg, finanziere das Töten von Kindern. Gemeint ist die deutsche Unterstützung für Israel, das Krieg führt im Gaza-Streifen als Reaktion auf den Hamas-Terror – und dessen Bomben auch Zivilisten treffen, weil die Terroristen ihre Infrastruktur bewusst eng verwoben haben mit zivilen Einrichtungen wie zum Beispiel Krankenhäusern. In kaum einem anderen Land der Welt dürften sich Demonstranten derart offen gegen staatliches Handeln und das politische System stellen wie in Deutschland. Und doch kleben sich diese Menschen die Münder zu.

Haben die eigentlich noch alle Tassen im Schrank? Haben wir noch alle Tassen im Schrank?

Ganz ehrlich: Es wäre gut und richtig, wenn man Islamisten, die sich ein Kalifat in Deutschland wünschen, den Mund verbietet. Unser Problem ist nicht ein Zuwenig an........

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