Ich werde misstrauisch, liebe Annalena Baerbock, jetzt haben Sie es nämlich schon wieder gemacht. Sie haben in Ihrer jüngsten Verlautbarung die Kinder vorangestellt. „Kinder, Frauen und Männer in Berg-Karabach müssen ohne Angst in Frieden und Würde in ihren Häusern und ihrer Heimat bleiben können“, haben sie gesagt, und damit ihre Stellungnahme zu den Mörderbanden in der Region eingeleitet.

Ich höre Ihnen bei sowas zu, weil ich ein Vater bin von ziemlich vielen Kindern, genauso wie Sie eine Mutter sind von zweien. Meine Schwiegermutter fragt immer: „Wie schafft die Baerbock das bloß, dauernd auf Achse und dann die zwei Kleinen?“ Ich habe darauf keine Antwort, aber ich höre diese Kindergeschichten von Ihnen unentwegt. Ich habe noch ihre Rede vor dem UN-Sicherheitsrat in New York im Ohr, als Sie mit dem Beispiel verschleppter Kinder in der Ukraine dafür geworben haben, das Land mit Waffen gegen Russland zu unterstützen. Sie hatten das ein Jahr zuvor auch schon bei ihrer Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen gemacht.

Kinder kommen dauernd bei ihnen vor. Schon als Sie in der Opposition waren und auf Lesbos das Flüchtlingslager brannte, malten Sie uns grausam farbig die Situation der Kinder aus: „Sie spielen traumatisiert zwischen Müllbergen. Etliche sind suizidgefährdet.“ Ich frage mich, ob Sie Order gegeben haben, dass Ihre Reden so aufgebaut sein sollen, oder ob sie die Kinderschar am Ende selbst reinmogeln.

Als Zuhörer fällt es mir schwer, auf Distanz zu bleiben, wenn jemand Politik über die Unschuldigsten der Unschuldigen betreibt. Und ich glaube inzwischen: Das ist Ihr Trick. Kinder sind über Greta wieder in die Politik gekommen. Sie sind so authentisch. Doch während Greta erwachsen geworden ist, bleiben sie bei Euch Kinderpolitikern irgendwie immer unter zwölf Jahre alt.

In mir wächst der Verdacht, dass Sie emotionale Kinderkulissen malen, wenn Sie dahinter eher im intellektuellen Flachwasser planschen. In Berg-Karabach verhält es sich zum Beispiel so, dass in einem jahrhundertealten Konflikt Aserbeidschan gerade die Oberhand über Armenien gewinnt, weil Russland, das dazwischen als Friedenstruppe – ja auch das gibt es! – wirken soll, anderweitig beschäftigt ist. Und weil Aserbeidschan Oberwasser verspürt, seit es auch von Ihnen und der EU als zuverlässiger Energielieferant des Westens gepriesen und bezahlt wird. Das Ganze hat mit Kindern gar nichts zu tun. Aber viel mit Gas und Öl und Weltpolitik.

Sie wissen das alles, denn ich weiß ja, dass sie an der London Scooll of economics und political science studiert haben. Jedenfalls ein bisschen. Und da lernt man so was. Ich finde, Sie könnten uns jetzt in der zweiten Hälfte Ihrer Amtszeit erklären, wo Deutschlands Interessen in so einem Konflikt liegen. Wird das das nächste Afghanistan? Mich würde das jedenfalls als Deutscher von Ihnen mehr interessieren als das Schicksal der Kinder, das mir als Vater sowieso das Herz anfasst.

QOSHE - Geht’s auch ohne Kinder, Frau Baerbock? - Oliver Stock
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Geht’s auch ohne Kinder, Frau Baerbock?

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27.09.2023

Ich werde misstrauisch, liebe Annalena Baerbock, jetzt haben Sie es nämlich schon wieder gemacht. Sie haben in Ihrer jüngsten Verlautbarung die Kinder vorangestellt. „Kinder, Frauen und Männer in Berg-Karabach müssen ohne Angst in Frieden und Würde in ihren Häusern und ihrer Heimat bleiben können“, haben sie gesagt, und damit ihre Stellungnahme zu den Mörderbanden in der Region eingeleitet.

Ich höre Ihnen bei sowas zu, weil ich ein Vater bin von ziemlich vielen Kindern, genauso wie Sie eine Mutter sind von zweien. Meine Schwiegermutter fragt immer: „Wie schafft die Baerbock das bloß, dauernd auf Achse und dann die zwei Kleinen?“ Ich habe darauf keine Antwort, aber ich höre diese Kindergeschichten von Ihnen unentwegt.........

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