Das ungeheure Gewicht des Nichts: Joseph de Maistre und die Leere der Macht

25. Dezember 2025 | Maurice Dorffer

Im Jahr 1789 brach in Frankreich eine Revolution aus, deren Wucht nicht nur die Nation, sondern ganz Europa erschütterte. Frühzeitig hatte der savoyische Denker begonnen, diese Zeichen zu lesen

VON MAURICE DORFFER 

Der savoyische Staatsmann und konservative Denker Graf Joseph de Maistre (1753–1821) wird häufig als dogmatischer Monarchist oder reaktionärer Theoretiker missverstanden. In Wahrheit war er ein scharfsinniger Diagnostiker politischer Systeme und menschlicher Leidenschaften, ein Denker, der die tektonischen Verschiebungen seiner Zeit frühzeitig spürte, lange bevor sie sich in Revolution und Umbruch entluden. Seine Schriften lesen sich weniger wie politische Traktate als vielmehr wie seismographische Aufzeichnungen einer Epoche, die den Boden unter ihren eigenen Füßen verlor. Mag die Revolution wie ein plötzlicher Umsturz gewirkt haben, kündigte sich in Wahrheit lange vorher an: durch tiefe soziale Spannungen, wirtschaftliche Not und ein wachsendes Misstrauen gegenüber den Herrschenden. 

Vor einigen Jahren stieß ich auf ein Zitat von Graf Joseph de Maistre, das mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf gegangen ist. Als ich mir später die Neuauflage seiner Privatkorrespondenz zulegte – ein wunderschön gebundener Band –, suchte ich sofort die besagte Stelle auf, um sie im Gesamtkontext zu lesen. Sie findet sich in einem Brief an seinen Bruder, den Chevalier Nicolas de Maistre, aus dem Jahr 1805, und beginnt mit einer schlichten, beinahe beiläufigen Beobachtung. Frei ins Deutsche übertragen, schreibt er: 

„Ich erinnere mich an die Zeiten (die späten 1780er Jahre, Anm. d. A.), als ich mich in einer kleinen Stadt (das savoyische Chambéry, Anm. d. A.), die dir bekannt ist, befand und […] um unseren engen Kreis herum nur kleine Menschen und kleine Dinge sah, und ich dachte: ‚Bin ich also dazu verurteilt, hier wie eine Auster an ihrem........

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