Steuern, Abschreibungen und die Reichen als Sündenböcke

20. Dezember 2025 | Celine Nadolny

Viel ist von "Gerechtigkeit" die Rede - aber in Wirklichkeit geht es vor allem um Neid. Darum müssen wir die Debatte ehrlicher machen

VON CELINE NADOLNY 

Es ist ein seltsames Phänomen: Kaum ein gesellschaftliches Thema wird in Deutschland mit so viel moralischer Empörung und so wenig Sachkenntnis geführt wie die Frage nach der Besteuerung von Reichen. Angeblich zahlen sie keine Steuern, drücken sich aus der Verantwortung, lassen ihre Yachten auf Steuertricks durch Schlupflöcher schippern – während der „ehrliche Malocher“ mit 30 Prozent auf sein Gehalt belastet wird. So jedenfalls lautet das Narrativ. 

Die Realität sieht anders aus. Doch wer das sagt, macht sich verdächtig – als Verteidiger von Privilegien, als Systemnutzer, als jemand, der „den Hals nicht vollkriegt“. Dabei geht es mir um etwas anderes: um Ehrlichkeit. Und um eine Debatte, die diesen Namen verdient. 

Schon im Ansatz wird die Diskussion falsch geführt. Es geht angeblich darum, Schulen zu sanieren, soziale Gerechtigkeit herzustellen oder „die da oben“ zur Kasse zu bitten. In Wahrheit aber geht es oft nicht um Gerechtigkeit – sondern um Umverteilung. Um ideologisch getriebene Kampagnen, die suggerieren, Reiche hätten ihren Wohlstand nur durch Lug und Trug erlangt – und müssten daher enteignet, bestraft, zumindest aber „endlich mal“ zur Rechenschaft gezogen werden. 

Diese moralisch aufgeladene Debatte ist brandgefährlich. Denn sie blockiert echte Lösungen – und ignoriert grundlegende Fakten. Etwa den Umstand, dass ein winziger Teil der Bevölkerung über die Hälfte des gesamten Einkommensteueraufkommens in Deutschland trägt. Oder dass Steuerhinterziehung und Steuergestaltung zwei völlig verschiedene Dinge sind – rechtlich, praktisch, moralisch. Dass ein Unternehmer zuerst auf Unternehmensebene Steuern zahlt – und danach noch einmal, wenn er sich das Geld privat ausschüttet. All das........

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