„Die Genozid-Rhetorik hat eine unglaubliche Sprengkraft“ |
Herr Neumann, müssen wir uns auch in Deutschland auf Anschläge wie dem von Sydney am Sonntag einstellen?
Wir erleben seit einer ganzen Weile eine starke Zunahme an Anschlagsversuchen. Gott sei Dank ist in vielen Fällen nichts passiert, weil es bei den Plänen geblieben ist und die Anschläge verhindert wurden. Aber klar ist auch: Die Einschläge werden häufiger.
Wie konkret ist die Bedrohungslage für jüdische Menschen und Einrichtungen?
Sie stehen leider sehr häufig im Fokus. Ich schätze, dass von den Anschlägen und versuchten Anschlägen der letzten zwei Jahre in Europa mindestens 40 Prozent jüdischen und israelischen Zielen gegolten haben. Das ist sehr viel und hat natürlich auch mit dem Konflikt im Nahen Osten zu tun. Deswegen sage ich immer wieder, dass man diese islamistische Bedrohung nicht aus dem Blick lassen darf, zumal ja die jüdischen Gemeinden von zwei Varianten betroffen sind: dem Islamischen Staat (IS) einerseits und dem Iran und seinen Proxys andererseits.
Gibt es Schnittmengen bei diesen beiden Gruppen?
Nein, eigentlich fast keine. Die operieren unabhängig voneinander. Wenn überhaupt, dann liegt die Schnittmenge in der gemeinsamen Zielscheibe, nämlich alles, was mit Israel und Juden zu tun hat. Abgesehen davon will der IS mit dem Iran nichts zu tun haben – auch wenn beide ideologisch die Idee des gewaltsamen Dschihad propagieren.
Muss man angesichts der ausführlichen Medienberichterstattung über das Massaker mit Nachahmungstaten rechnen?
Die Gefahr besteht immer. Zwar passieren Terroranschläge nicht so häufig, wie man manchmal den Eindruck hat. Aber fast jeder wird in der Absicht ausgeführt, weitere solcher Anschläge zu inspirieren. Attentäter senden das Signal aus: »Schaut her, wenn wir das können, könnt ihr es auch«. 2015 wurde in Nizza ein Terroranschlag mit einem LKW verübt. Zuvor hatte es keine solch schwerwiegenden Taten mit Fahrzeugen gegeben. Anschließend kam es innerhalb von zwölf Monaten zu einem Dutzend weiterer Attacken dieser Art. Es gab also einen Nachahmereffekt. Deswegen muss man nach Attentaten wie dem von Sydney immer besonders........