Der Engagierte

An einem Abend standen ein Freund von mir und ich an einer Haltestelle und warteten auf den Bus, der mich nach Hause bringen sollte. Wir waren guter Laune und lachten viel.

Aber dann fiel ein Bus nach dem anderen aus, stattdessen kamen Kolonnen von Polizeiautos. Und schließlich sah ich die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Wagen sitzen – nach der Hetzjagd, die von rechten und rechtsextremen Gruppen initiiert wurde und sich gegen Menschen mit Migrationshintergrund sowie Flüchtlinge richtete, besuchte sie Chemnitz. Das war im Herbst 2018, kurz nach dem tödlichen Angriff auf einen Chemnitzer.

Dabei wurde auch das jüdische Restaurant Schalom angegriffen. Es war für mich ein Schock. Ich spürte, dass es mir wichtig wurde, mich politisch zu engagieren – und trat schließlich in die Junge Union (JU) ein. Mir sind die Themen wichtig, die die CDU und ihre Jugendorganisation vertreten. Antisemitismus zu bekämpfen steht beispielsweise ganz oben auf ihrer Agenda. Als ich meinen Eltern von meinem Eintritt in die Junge Union berichtete, sagten die nur, dass ich bloß kein Parteisoldat werden solle. Sie sind eher unpolitisch. Eigentlich hätte ich mich schon gern früher politisch engagiert, aber die Themen haben mich nicht so angesprochen.

Mein Vater wurde in Russland geboren, meine Mutter in Czernowitz in der Ukraine. Da die Luft im Norden Russlands schlecht war, zog mein Vater schon als Kind mit seiner Familie in die Ukraine, wo sich meine Eltern später kennenlernten. Ich habe russische, weißrussische, moldawische und ukrainische Wurzeln. Zusammen emigrierten sie als Erwachsene mit meinem großen Bruder, der damals noch klein war, nach Chemnitz. Hier fühlen sie sich sehr wohl – auch weil die Stadt sie an ihre Heimat Czernowitz erinnert.

Mein Bruder studiert mittlerweile in Duisburg Medizin, aber ich wollte in Chemnitz bleiben. Hier habe ich mich an der Uni eingeschrieben, ich widme mich der Sensorik und der kognitiven Psychologie.

Gelegentlich bin ich als Vorbeter in der Jüdischen Gemeinde aktiv und habe den Verband »Jüdische Allianz Mitteldeutschland«, kurz JAM, gegründet, der für junge jüdische........

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