Der Bericht der Federal Reserve über die Ereignisse, die zum Untergang der Silicon Valley Bank (SVB) geführt haben, ist erstaunlich selbstkritisch, detailliert und informativ. Dort heisst es zwar, die SVB habe sich nicht risikobewusst genug verhalten (als ihre eigenen Modelle zeigten, dass sie ein zu grosses Zinsrisiko einging, hat sie einfach die Grundannahmen des Modells geändert), doch auch die Überwachungsbehörden werden dafür kritisiert, die zunehmende Schieflage der SVB nicht erkannt zu haben – oder sie nicht dazu aufgefordert zu haben, sie zu beheben. Ausserdem werden regulatorische Änderungen angeprangert, die die SVB dazu genutzt hat, eine stärkere Überwachung zu verhindern. Aber einen wichtigen Punkt erwähnt das Fed nicht: seine eigene Geldpolitik.
Teilweise liegt dies daran, dass der Zweck des Berichts der ist, die Überwachung und die Regulierung des Fed zu überprüfen. Beschränkt man sich allerdings lediglich darauf, werden letztlich einige der wichtigsten Einflussfaktoren für die Stabilität des Finanzsektors ignoriert. Die SVB war schliesslich nicht der einzige Pleitekandidat: Vier US-Banken sind gescheitert – grösstenteils weil sie in festverzinsliche langfristige Anleihen und Kredite investiert hatten, die mit kurzfristigen Einlagen finanziert wurden, die schnell abgezogen werden können.
Im März hat die US Federal Deposit Insurance Corporation geschätzt, dass die Banken auf versteckten Wertpapierverlusten in Höhe von etwa 600 Mrd. $ sitzen. Bezieht man Verluste aus niedrig rentablen Krediten ein, könnte sich das auf über 1 Bio. $ summieren. Schlimmer noch: Bei vielen dieser Banken gibt es eine erhebliche Menge unversicherter Einlagen. Obwohl diese Institute momentan noch existieren, leiden ihre Profitabilität und ihre langfristige Überlebensfähigkeit darunter, dass die Einleger höhere Zinsen fordern.
Dieses Problem liegt nicht am Fehlverhalten einer einzigen Bank oder an mangelnder Überwachung, sondern ist systemischer Natur. Deshalb hat das Fed den Banken erhebliche Finanzmittel angeboten – ohne die üblichen Sicherheitsabschläge, die es für lombardierte Wertpapiere fordert. Deshalb hat sich das Finanzministerium implizit hinter alle unversicherten Einlagen gestellt.
«Rezessionen folgen normalerweise einfach auf Zinserhöhungen, Banken hingegen bekommen erst dann Probleme, wenn es vorher eine Zeit billigen Geldes gab.»
Wir haben uns so sehr an die massiven Markteingriffe des Fed und des Finanzministeriums gewöhnt, dass wir nicht erkennen, wie ungewöhnlich und tiefgreifend diese jüngste Epoche war. Könnte die systemische Vulnerabilität letztlich an der Geldpolitik liegen?
Greg Becker, der ehemalige CEO der SVB, scheint dies zu glauben. In einer Stellungnahme für eine Anhörung vor dem US-Senat sagte er: «Die Botschaft des Fed war, dass die Zinsen niedrig bleiben würden und die aufkommende Inflation nur ‹vorübergehend› sei. Tatsächlich haben die Banken Anfang 2020 bis Ende 2021 in diesem vom Fed geschaffenen Niedrigzinsumfeld insgesamt für fast 2,3 Bio. $ Wertpapiere gekauft.»
Natürlich überrascht es nicht, dass Becker die Schuld abschiebt. Aber wie Viral V. Acharya und ich betont haben, sind den Banken – als Ergebnis der pandemiebedingten quantitativen Lockerungen des Fed – enorme Mengen unversicherter Einlagen zugeflossen, und die Versuchung war gross, sie in (damals) ertragreichere Wertpapiere wie Staatsanleihen zu investieren. Damit haben die Banken schönen Gewinn gemacht und sich enorme Boni gesichert, aber die Gefahr ignoriert, dass die lange Zeit niedrigen Zinsen steigen könnten. Die Banker waren gierig, und die Überwachungsbehörden haben diese Gier übersehen, aber lag nicht ein Teil der Schuld auch beim Fed, das die absehbaren Folgen einer langen Zeit billigen Geldes ignoriert hat?
Dass die Fed-Beamten die Zeichen der Zeit nicht erkannt haben, überrascht nicht: Traditionell ist dies eine ihrer Schwächen. Dies liegt an dem, was in der Zentralbanksprache als Separationsprinzip bekannt ist: dass die Geldpolitik, wenn die Realwirtschaft stimuliert werden muss, so locker wie möglich zu sein hat, während die Finanzstabilität im Zuständigkeitsbereich der Überwachungsbehörden liegt. Wenn dann etwas schiefgeht, ist dies die Schuld der Überwacher. Diese haben sich jedoch wiederholt als unfähig erwiesen, die massiven Anreize für riskantes Verhalten, die aus der extrem lockeren Geldpolitik entstehen, unter Kontrolle zu halten.
Die Annahme, die Geldpolitik sei nicht nur eine unschuldige Randfigur gewesen, wird auch von einer aktuellen Studie gestützt: Gabriel Jiménez und andere Mitarbeiter der spanischen Notenbank haben darin Bankenkrisen der letzten 150 Jahre in siebzehn Ländern analysiert – darunter die US-Bankenkrise der Dreissigerjahre, die globale Finanzkrise von 2007/08 sowie die japanischen und die schwedischen Bankenkrisen der Neunzigerjahre. Sie fanden heraus, dass sie meist auf eine U-förmige Zinsentwicklung gefolgt sind. Meist sinken die kurzfristigen Nominalzinsen etwa sieben Jahre vor einer Krise, bevor sie dann drei Jahre vorher zu steigen beginnen. Rezessionen folgen normalerweise einfach auf Zinserhöhungen, Banken hingegen bekommen erst dann Probleme, wenn es vorher eine Zeit billigen Geldes gab.
Die Separationisten, die innerhalb der Zentralbanken vorherrschen, mögen die Folgen des leichten Geldes für die finanzielle Stabilität zwar ignorieren, aber wenn sie zum Vorschein kommen, ist dies nicht mehr möglich. Obwohl sich das Fed heute ausschliesslich auf die Bekämpfung der Inflation konzentriert, weiss es, dass Bankkunden, die sich jetzt noch passiv verhalten, bei weiteren Zinserhöhungen marktübliche Zinsen verlangen werden. Das wiederum wird die Finanzierungskosten der Banken überproportional erhöhen und in den Bankbilanzen grosse Löcher hinterlassen. Gleichzeitig könnte, wenn das Fed die Leitzinsen nicht mehr erhöht, die Inflation wieder steigen, was letztlich die Langfristzinsen nach oben treiben und den Wert der von den Banken gehaltenen Finanzpapiere verringern würde. In beiden Fällen muss das Fed in seiner Zinspolitik auch die finanzielle Stabilität berücksichtigen.
Wie Ökonomen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich seit Jahren argumentieren, mag das Separationsprinzip in der Theorie zwar richtig sein, aber in der Praxis sieht es anders aus. Würden die Zentralbanker diese Tatsache akzeptieren, wären sie bei ihren Versuchen, die wirtschaftlichen Aktivitäten allein geldpolitisch zu stimulieren, viel vorsichtiger. Sie könnten berücksichtigen, dass in Zeiten geringer realer Investitionsmöglichkeiten mit dem leichten Geld weniger reale Investitionen als grössere finanzielle Risiken eingegangen werden. In diesen Fällen sollte man die Geldpolitik vielleicht nicht allzu locker gestalten, und die Zentralbanken sollten auf aggressive Massnahmen wie quantitative Lockerung verzichten, die unabsehbare Folgen haben.
Die Notenbanken, die die Probleme der Geschäftsbanken zu lang mit billigem Geld übertüncht haben, müssen aufpassen, dass sie die U-förmige Zinskurve nicht noch dadurch verstärken, dass sie nicht nur die Zinsen erhöhen, sondern auch eine schnelle quantitative Straffung durchführen. Besser wäre es, schrittweise vorzugehen. Ein erster Schritt hin zu einer gesünderen Debatte über finanzielle Instabilität wäre es, den Geldpolitikern auf der Suche nach den üblichen Verdächtigen keinen Freibrief mehr zu geben.
Raghuram G. Rajan, ehemaliger Gouverneur der Reserve Bank of India, ist Professor für Finanzwesen an der Booth School of Business der Universität von Chicago. Copyright: Project Syndicate.
Fehler gefunden?Jetzt melden.