Die Gefahr, dass die Schweiz im Winter 2022/23 in eine Energiemangellage geraten könnte, war gross und reell. Doch die Versorgungslage mit Gas und Strom ist stabil geblieben, wie sich im Nachhinein feststellen lässt. Geholfen haben Sparanstrengungen von Unternehmen und Privaten – vor allem aber der ungewöhnlich milde Winter.

Die notgedrungen hastig geschaffene Reservekapazität, so sie denn gereicht hätte, musste glücklicherweise nicht beansprucht werden. Ebenso wenig war es nötig, den staatlichen Rettungsschirm für die Stromkonzerne zu aktivieren.

Eine Energiemangellage mit Stromeinschränkung und -rationierung will man sich lieber nicht ausmalen, mit all ihren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen. Gut daher, dass der Bundesrat zusammen mit den Unternehmen bereits jetzt auf die kommenden Winter blickt.

Denn der Ungewissheiten sind viele. «Es ist auch 2023/24 mit Engpässen zu rechnen», betonte der zuständige Bundesrat Albert Rösti am Donnerstag vor den Medien. Wegen des schneearmen Winters werden die derzeit gut dotierten Speicherseen weniger als sonst gefüllt. Grosse Trockenheit im Sommer könnte die Stromproduktion beeinträchtigen.

«Gefahr» droht auch aus dem Ausland. Nach dem Ende der Lockdowns fragt China wieder mehr Flüssiggas nach, Asien generell. Ob die europäischen Gasspeicher ausreichend gefüllt werden können, ist eine offene Frage.

Ein zusätzlicher Risikofaktor sind die Stromimporte. In Deutschland wurden die letzten drei Kernkraftwerke stillgelegt, in Frankreich halten die Revisionsarbeiten in Kernkraftwerken an – während die vier AKW in der Schweiz auch diesen Winter etwa die Hälfte des Strombedarfs gedeckt haben.

Eine Importgarantie gibt es nicht, die Schweiz kann sich nicht auf ein «Solidaritätsabkommen» mit EU-Staaten abstützen. Im Gegenteil: Ab Anfang 2026 müssen die EU-Staaten 70% der Übertragungskapazität für den Handel untereinander zur Verfügung stellen. Gemäss der nationalen Netzgesellschaft Swissgrid könnte das die Import- und Exportfähigkeit der Schweiz «massiv beschneiden». Und last but not least: Was, wenn der nächste Winter deutlich kälter wird?

So ist es ratsam, wenn auch nicht gänzlich beruhigend, wenn bereits jetzt Vorkehrungen gegen eine Strommangellage getroffen werden. Wie jede Versicherung kosten sie: etwa 300 Mio. Fr. für eine Wasserkraftreserve und mehrere Hundert Millionen für drei Reserve-Gasturbinenkraftwerke. Eine Hilfe sind zudem Notstromgruppen von Unternehmen und natürlich anhaltende Bemühungen, Strom effizienter und sparsamer zu benutzen.

Achillesferse bleibt die Produktion. Das neue Energiegesetz («Mantelerlass») samt «Solar»- und «Windexpress» sieht den Zubau von 5 Terrawattstunden Winterstrom vor. Das dauert aber bis 2030, vielleicht auch länger. Zudem ist der Ausbau mit massiven Eingriffen in die Landschaft verbunden. Die jahrelang drohende Strommangellage ist eine Folge mangelhafter Energiepolitik. Warnungen wurden allzu lange in den Wind geschlagen.

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QOSHE - Wacklige Winterenergie - Arno Schmocker
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Wacklige Winterenergie

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21.04.2023

Die Gefahr, dass die Schweiz im Winter 2022/23 in eine Energiemangellage geraten könnte, war gross und reell. Doch die Versorgungslage mit Gas und Strom ist stabil geblieben, wie sich im Nachhinein feststellen lässt. Geholfen haben Sparanstrengungen von Unternehmen und Privaten – vor allem aber der ungewöhnlich milde Winter.

Die notgedrungen hastig geschaffene Reservekapazität, so sie denn gereicht hätte, musste glücklicherweise nicht beansprucht werden. Ebenso wenig war es nötig, den staatlichen Rettungsschirm für die Stromkonzerne zu aktivieren.

Eine Energiemangellage mit Stromeinschränkung und -rationierung will man sich lieber nicht ausmalen, mit all ihren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen. Gut daher, dass der Bundesrat........

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