«Mit der Vorlage sollen die unvermeidbaren Folgen des Klimawandels für Mensch, Umwelt und Wirtschaft gelindert werden»: So steht es in den Erläuterungen des Bundesrats zum sogenannten Klima- und Innovationsgesetz, über das am 18. Juni abgestimmt wird. Wenn dem nur so wäre! Im Vergleich zur Gletscherinitiative, die dem Gesetz Pate stand, und zu dem vor zwei Jahren abgelehnten CO₂-Gesetz kommt diese Vorlage harmloser daher – wie andere Etikettenschwindel, die Versprechen nicht einlösen.

Argwöhnisch stimmt bereits der Umstand, dass die Promotoren der sogenannten Gletscherinitiative ihr rigoroses, wirtschaftsfeindliches Anliegen zugunsten eines indirekten Gegenvorschlags aus dem Parlament bedingt zurückgezogen haben. Das «bedingt» ist für die Galerie: Wird das moderatere Gesetz abgelehnt, ist es völlig illusorisch anzunehmen, dass die radikalere Variante später angenommen wird.

Die Volksinitiative hätte über die Verfassung ein «faktisches» (Zitat Alt-Bundesrätin Simonetta Sommaruga) Verbot fossiler Brenn- und Treibstoffe durchgesetzt, um das Ziel netto null Treibhausgasemissionen bis 2050 zu erfüllen. Das neue Gesetz kommt nun den Initianten offensichtlich weit entgegen. Zudem kann es rascher umgesetzt werden. Und zur Annahme genügt eine Stimmenmehrheit: Das Ständemehr und damit das Gewicht der oft «störrischen» kleinen Berg- und Landkantone ist ausgeschaltet.

Auch im Vergleich zum CO₂-Gesetz, das 2021 überraschend abgelehnt wurde, erscheint die neue Vorlage gemässigter. Sie sieht weder Verbote noch zusätzliche Steuern und Abgaben vor. Doch die verbindlichen Absenkpfade üben einen «massiven gesetzlichen Vollzugsdruck» aus, wie der Hauseigentümerverband kritisiert. Viele Bestimmungen beginnen mit «Der Bund sorgt dafür, dass …».

«Wie mit dem süssen Gift Subventionen üblich, entstehen Mitnahmeeffekte.»

Zu den geforderten Zwischenzielen zählt etwa, die Treibhausemissionen bis 2040 im Vergleich zu 1990 mindestens drei Viertel zu reduzieren. Doch bleibt offen, was passiert, wenn die Zwischenziele nicht erreicht werden – wird die Subventionsmaschinerie dann noch mehr aufgedreht? Für den Ersatz von Heizungsanlagen mit Öl und Gas sowie die Wärmedämmung an Gebäuden sieht das Gesetz 2 Mrd. Fr. vor, verteilt über zehn Jahre.

Schon jetzt werden solche an sich nützliche Massnahmen mit Instrumenten auf Kantons- und Gemeindeebene unterstützt. Nun soll mit dem «Impulsprogramm» des Bundes der Ersatzrhythmus für die Heizanlagen verdoppelt werden. Wie das mit dem nicht rasch zu behebenden Mangel an Arbeitskräften geschehen soll, ist schleierhaft.

Vom Subventionsgedanken durchtränkt ist auch das zweite Kernelement der Vorlage, die staatliche Unterstützung innovativer Technologien, die den COn-Ausstoss dämpfen. Projekte mit «niedriger Technologiereife und hohem finanziellen Risiko» werden bis zu 70% finanziert, insgesamt sind über sechs Jahre weitere 1,2 Mrd. Fr. als Finanzhilfen vorgesehen. Der Fördertopf erinnert an den mit 1 Mrd. Fr. dotierten Klimafonds aus dem 2021 abgelehnten CO₂-Gesetz.

Bislang hat sich die Schweiz mit der öffentlichen Förderung zukunftsträchtiger Technologien Zurückhaltung auferlegt. Nicht ohne Grund, denn das Land belegt in Bezug auf Patente pro Einwohner und auf Innovationskraft regelmässig prominente Plätze in der Rangliste. Die Förderung durch den Bund ist stets von der irrigen Annahme beseelt, staatliche Beamte und Bürokraten wüssten besser über den Markt Bescheid als private Unternehmer.

In Bezug auf die Finanzierung wird ebenfalls tüchtig verwischt: Keine – immerhin verursachergerechten – Abgaben für Flugtickets wie bei der Abstimmung vor zwei Jahren mehr, die persönlich wehtun, bezahlt wird ganz einfach aus dem «allgemeinen Bundeshaushalt» (der, übrigens, ab 2025 aus dem Lot zu geraten droht). Umverteilung und bevorzugte Förderung einzelner Branchen, die sowieso boomen, zählen nun wirklich nicht zu den Rezepten einer liberalen Marktwirtschaft.

Im Pro-Argumentarium des Abstimmungsbüchleins heisst es: «Die Vorlage setzt die richtigen Anreize. Davon profitieren die Bevölkerung sowie der Wirtschafts- und Innovationsstandort Schweiz.» Stärkung der Volkswirtschaft? Mit solch simplen Behauptungen liesse sich jegliche staatliche Industriepolitik rechtfertigen.

Wie mit dem süssen Gift Subventionen üblich, entstehen überdies Mitnahmeeffekte. Mit den Fördermitteln werden etliche Hausbesitzer unterstützt, die finanziell ohne weiteres in der Lage sind, eine ohnehin geplante umweltschonende Heizung einzubauen. Das ist aus dem Fenster rausgeworfenes Geld.

Wenn also die Mittel zum Erreichen der Ziele fragwürdig sind: Werden wenigstens die behaupteten Ziele der Vorlage erreicht? Suggeriert wird, damit lasse sich vermeiden, dass klimabedingte Schäden als Folge höherer Durchschnittstemperaturen und häufigerer Extremereignisse zunehmen (Art. 8 des Gesetzes). Das ist, mit Blick auf die Komplexität des Klimas und des Anteils der Schweiz von 0,1% am globalen Ausstoss von CO₂, Mumpitz.

Suggeriert wird sodann, dass sich der Stromverbrauch senken lässt. Der Ersatz von Elektroheizungen, gemäss Bundesamt für Energie immerhin für 10% des Stromkonsums im Winter verantwortlich, ist letztlich ein Tropfen auf den heissen Stein. Sie sowie Gas- und Ölheizungen werden mit Holzheizungen und vor allem Wärmepumpen ersetzt. Mit dem Einsatz von Wärmepumpen, davon steht im Abstimmungsbüchlein nichts, erhöht sich der Stromverbrauch.

«Klimapolitik ist Energiepolitik», wiederholt Energieminister Albert Rösti seit dem Amtsantritt immer wieder. Genau hier liegt der Hund, sprich: das Problem, begraben. Die Schweiz hat nach Fukushima und mit der Annahme der «Energiestrategie 2050» vor sechs Jahren die Weichen unter falschen Annahmen falsch gestellt. Es ist mehr als fraglich, ob der massiv steigende Strombedarf rasch genug, mit vertretbaren Kosten und ohne massive Eingriffe in die Alpenlandschaft gedeckt wird, der sich aus der Dekarbonisierungsstrategie und dem Ausstieg aus der Kernkraft ergibt.

Mit einer Annahme des Klima- und Innovationsgesetzes werden die Schwächen der Energiestrategie weiter zementiert. Gleichzeitig bedeutet es einen beträchtlichen Ausbau staatlicher Subventionen in einem übersättigten Markt. Wie bloss konnten der Wirtschaftsverband Economiesuisse und vier Fünftel der Delegierten der «FDP. Die Liberalen» einer solchen Vorlage zustimmen?

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QOSHE - Vom wohlgemeinten Ziel hin zur Augenwischerei - Arno Schmocker
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Vom wohlgemeinten Ziel hin zur Augenwischerei

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19.05.2023

«Mit der Vorlage sollen die unvermeidbaren Folgen des Klimawandels für Mensch, Umwelt und Wirtschaft gelindert werden»: So steht es in den Erläuterungen des Bundesrats zum sogenannten Klima- und Innovationsgesetz, über das am 18. Juni abgestimmt wird. Wenn dem nur so wäre! Im Vergleich zur Gletscherinitiative, die dem Gesetz Pate stand, und zu dem vor zwei Jahren abgelehnten CO₂-Gesetz kommt diese Vorlage harmloser daher – wie andere Etikettenschwindel, die Versprechen nicht einlösen.

Argwöhnisch stimmt bereits der Umstand, dass die Promotoren der sogenannten Gletscherinitiative ihr rigoroses, wirtschaftsfeindliches Anliegen zugunsten eines indirekten Gegenvorschlags aus dem Parlament bedingt zurückgezogen haben. Das «bedingt» ist für die Galerie: Wird das moderatere Gesetz abgelehnt, ist es völlig illusorisch anzunehmen, dass die radikalere Variante später angenommen wird.

Die Volksinitiative hätte über die Verfassung ein «faktisches» (Zitat Alt-Bundesrätin Simonetta Sommaruga) Verbot fossiler Brenn- und Treibstoffe durchgesetzt, um das Ziel netto null Treibhausgasemissionen bis 2050 zu erfüllen. Das neue Gesetz kommt nun den Initianten offensichtlich weit entgegen. Zudem kann es rascher umgesetzt werden. Und zur Annahme genügt eine Stimmenmehrheit: Das Ständemehr und damit das Gewicht der oft «störrischen» kleinen Berg- und Landkantone ist ausgeschaltet.

Auch im Vergleich zum CO₂-Gesetz, das 2021 überraschend abgelehnt wurde, erscheint die neue Vorlage gemässigter. Sie sieht weder Verbote noch zusätzliche Steuern und Abgaben vor. Doch die verbindlichen Absenkpfade........

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