Wenn die UBS eine «Monsterbank» ist, dann ist das Uvek ein «Monsterdepartement». Jedenfalls was Grösse und Bedeutung betrifft: Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation umfasst sieben Bundesämter und hat das Sagen über die vier bundesnahen Betriebe Post, SBB, Swisscom und die Flugüberwachung Skyguide. Kein Wunder, ist es dem neuen Amtsvorsteher Albert Rösti nicht gelungen, im Infrastruktur- und Umweltdepartement in den ersten drei Monaten «alles anzuschauen».

In erster Linie, wie könnte es anders sein, beschäftigt ihn die Energie- und Stromversorgungssicherheit. Die sich konkret abzeichnende Gefahr eines Stromengpasses in diesem Winter ist dank milder Temperaturen und gut gefüllter Stauseen abgewendet worden. Aber Entwarnung ist fehl am Platz. Ein langer, kalter Winter, das Ausbleiben von Gaslieferungen aus Russland – bisher war noch viel russisches Gas in Europas Speicher vorhanden – und erneute Revisionsarbeiten in Frankreichs Atomkraftwerken könnten die Stromversorgung akut gefährden.

Die Schweiz benötigt in den kommenden Jahren definitiv mehr Winterstrom, und zwar rasch. «Ich will die sichere Stromversorgung forcieren, ohne Scheuklappen», verspricht Albert Rösti. Im bloss ansatzmässig liberalisierten Schweizer Strommarkt bleibt ihm kurzfristig kaum etwas anderes übrig, als erneuerbare Energien mit viel staatlichen Fördergeldern zu unterstützen.

«In geeigneten Gebieten soll der Kapazitätsausbau gegenüber dem Primat Naturschutz Vorrang haben.»

Im Wesentlichen sind zwei Gesetzgebungsprozesse im Gang. Das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien («Mantelerlass») ist im März vom Nationalrat angenommen worden, in Opposition zu Röstis Partei, der SVP. Sie störte sich vor allem an der Solarpflicht auf Dächern und der Sistierung der Restwassermengen. «Bleibt das im Gesetz drin, wird es ein Referendum geben», sagt Rösti voraus – ist aber überzeugt, dass der Ständerat korrigierend eingreifen wird.

Im Mantelerlass sind drei Massnahmen vorgesehen: Förderung der Erneuerbaren, die fünfzehn Speichersee-Projekte des «Runden Tisches» und – stets sinnvoll – eine höhere Energieeffizienz. Das reicht nicht. Vor dem Sommer will der Bundesrat zusätzlich eine «Beschleunigungsvorlage» präsentieren, mit der die Ausbauprojekte rascher realisiert werden können. Rösti betonte: «Das kann nicht schnell genug gehen.»

In «geeigneten» Gebieten sollen Solar- und Windkraftprojekte gegenüber anderen Kriterien Vorrang erhalten, das Primat Kapazitätsausbau soll also gegenüber dem Primat Naturschutz Priorität haben. Mit einer Straffung der Bewilligungsverfahren könnten so in einigen Jahren, zusammen mit den 2 Terawattstunden (TWh) der 15 Speicherkraftwerke, rund 5 TWh dringend benötigten Winterstroms erzeugt werden.

Indessen, was auf dem Papier einigermassen überzeugend klingt, harzt häufig in der Umsetzung. Was «geeignete» Gebiete sind, darüber scheiden sich die Geister. Ob es unberührte Alpentäler sind? Zudem ist alles andere als klar, ob die Kapazität für die Stromübertragung in allen Projekten ausreicht.

«Die Versäumnisse und Fehlentscheide der vergangenen zwei Jahrzehnte lassen sich nicht über Nacht korrigieren.»

Blickt man über 2030 hinaus, ist die Diskussion eh eine andere. Langfristig benötigt die Schweiz laut Rösti einen Zubau von 45 TWh, also zusätzlich drei Viertel der heutigen Produktion. An dieser Stelle betonte der neue Departementsvorsteher: «Ich bin offen für alle Technologien». Spezifischer könne und wolle er im Moment nicht werden.

Doch klar ist: Nur mit dem Ausbau erneuerbarer Energien ist das Winterdefizit auf die Länge nicht zu beseitigen. Kleine modulare Kernreaktoren der neusten Generation könnten helfen, die Schweiz aus dem Energie-Trilemma Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit sowie Natur- und Klimaschutz zu befreien. Die Versäumnisse der vergangenen zwei Jahrzehnte – mangelnde Eigenproduktion im Land – und überstürzte Fehlentscheide – Ausstieg aus der Atomkraft – lassen sich nicht über Nacht korrigieren.

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QOSHE - Kein Zauberstab in der Energiepolitik - Arno Schmocker
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Kein Zauberstab in der Energiepolitik

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31.03.2023

Wenn die UBS eine «Monsterbank» ist, dann ist das Uvek ein «Monsterdepartement». Jedenfalls was Grösse und Bedeutung betrifft: Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation umfasst sieben Bundesämter und hat das Sagen über die vier bundesnahen Betriebe Post, SBB, Swisscom und die Flugüberwachung Skyguide. Kein Wunder, ist es dem neuen Amtsvorsteher Albert Rösti nicht gelungen, im Infrastruktur- und Umweltdepartement in den ersten drei Monaten «alles anzuschauen».

In erster Linie, wie könnte es anders sein, beschäftigt ihn die Energie- und Stromversorgungssicherheit. Die sich konkret abzeichnende Gefahr eines Stromengpasses in diesem Winter ist dank milder Temperaturen und gut gefüllter Stauseen abgewendet worden. Aber Entwarnung ist fehl am Platz. Ein langer, kalter Winter, das Ausbleiben von Gaslieferungen aus Russland – bisher war noch viel russisches Gas in Europas Speicher vorhanden – und erneute Revisionsarbeiten in Frankreichs Atomkraftwerken könnten die Stromversorgung akut........

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