Klimaschutz ist nicht unbedingt Naturschutz. Das zeigt sich in der Diskussion über die Windkraft. Im Vergleich zur Solarenergie hat sie einen Vorteil: Sie trägt eher zu einer sicheren Stromversorgung in den Wintermonaten bei, wenn Produktion und Nachfrage besonders stark auseinanderklaffen. Kurzfristig, das heisst in den nächsten fünf bis sieben Jahren, soll Windenergie denn auch, ebenso wie Fotovoltaik, 2 Terawattstunden zusätzlichen Strom liefern, um das Risiko einer Strommangellage etwas zu mindern.
So hat das Parlament in aller Eile nicht nur einen Solar-, sondern auch einen «Windexpress» entschieden. Der Bau einer beschränkten Anzahl fortgeschrittener Windprojekte von sogenannt nationalem Interesse soll mit gestrafften Bewilligungsverfahren beschleunigt werden.
Neu sollen nicht mehr Gemeinden, sondern der Kanton die Bewilligung erteilen. Mit sechs Projekten resp. 39 Windenergieanlagen könnten gemäss Bundesrat jährlich 250 Gigawattstunden produziert werden. Weitere vier Projekte mit der gleichen Strommenge wären mit dem neuen Gesetz möglich – aber dann fehlen immer noch drei Viertel zu dem bis ungefähr 2030 angestrebten Ziel.
In der Energiestrategie 2050 ist bedeutend mehr vorgesehen. Ungefähr 7% des Stroms, im Vergleich zu bescheidenen 0,4% heute, sollen dann durch Windenergie gedeckt werden. Das entspricht mehr als 4 Terawattstunden. Gemäss einer ETH-Studie wären dafür 760 Windturbinen nötig, rund 300 allein in den Bündner und den Walliser Alpen.
Im neuen kantonalen Richtplan Energie des Kantons Graubünden sind 31 Gebiete festgelegt worden, die für Windenergienutzung als geeignet eingestuft werden. Mit Ausnahme des Oberengadins sind fast alle potenziellen Projekte in Touristengebieten angesiedelt, von Arosa über Davos bis zu Laax, Samnaun und Zuoz.
Dazu werden alpine Solaranlagen kommen, damit mit Fotovoltaik die zusätzlichen 2 Terawattstunden Strom produziert werden können. Man muss nicht über hellseherische Fähigkeiten verfügen, um zu prophezeien: Bei vielen Vorhaben von «nicht nationaler Bedeutung» ist massiver Widerstand der Bevölkerung und von Naturschutzorganisationen zu erwarten.
Während Stauseen teilweise noch eine gewisse Ästhetik ausstrahlen, ist das bei Wind- und Solaranlagen nicht der Fall. Flächenbedarf und Materialverschleiss sind gross. Es müssen viele Zufahrtsstrassen ge- oder zumindest ausgebaut werden, mit entsprechenden Lärmemissionen. Ob die Kapazität für die Stromübertragung ohne weiteres reicht, ist zudem eine offene Frage.
Die Schweiz ist drauf und dran, weiteren Naturraum und die Grundlagen für den Tourismus in den Alpen unwiederbringlich zu zerstören. Wollen wird das? Die Energiestrategie in der nicht mit besonders viel Wind und Sonne gesegneten Schweiz muss umgeschrieben werden. Die Energiewende mit dem Ziel viel weniger Treibhausemissionen heisst viel mehr Strom. Die Konsequenzen der einseitigen Förderung von Solar- und Windenergie für das kleinräumige Land werden allmählich sichtbar werden.
Fehler gefunden?Jetzt melden.