Berlin 1939: Das einstige Kaufhaus Gerson wird zum Tatort der Shoah

Was soll es sein, ein fantasievolles Hochsommerkleid aus gelbem, schwarz gepunktetem Shantung von der Designerin Maggy Rouff? Oder ein Complet aus Crêpe de Chine, wie es das auch in Berlin vertriebene Magazin Die Schöne Wienerin im April 1932 empfiehlt? Man darf sich darauf verlassen, dass die Modelle als „Gerson-Moden“ am Werderschen Markt zu haben sind.

Noch im Sommer 1932 hat das „Kaufhaus Herrmann Gerson“, dieser Feen-Tempel der Haute Couture, nichts von seiner Faszination verloren und genügt gehobenen Ansprüchen. Aber es kursieren Gerüchte, das Etablissement jüdischer Eigentümer gegenüber von Karl Friedrich Schinkels Friedrichswerderscher Kirche drifte im dritten Jahr der Weltwirtschaftskrise dem Bankrott entgegen, die Gläubiger seien alarmiert. Wie kann man sie beruhigen, wie abfinden?

Sieben Jahre später sind das keine Fragen mehr, die Warenlager geräumt, Schuhe, Handschuhe, Schirme, Spitzen, Blazer, Blusen- und Cocktail-Kleider, Chiffon- und Seidenblusen – alles muss raus, alles ist raus. Kurt Tucholskys Gedicht Augen in der Großstadt mit seinem Refrain über das flackernde Lebensglück klingt wie ein Nekrolog auf die Gerson-Kaufhäuser: „Vorbei, verweht, nie wieder ...“

Verschwunden der große Baldachin über der Pforte, das prächtige Foyer, das Kunden empfing und als Käufer umwarb. Im Herbst 1939 steht in der einstigen Empfangshalle eine Hitler-Büste, an den Wänden hängen Hakenkreuz-Fahnen im Halbrund, dahinter liegen Nischen mit SS-Runen. Die Salons für Modenschauen im ersten, die Ateliers der Maßschneider im zweiten Stock sind Abteilungen für Sittlichkeits- und Kapitalverbrechen, für Spuren- und Personenidentifikation, für Vorbeugung und Kriminalpolitik gewichen.

Ab Mitte September 1939 residiert am Werderschen Markt 5/6 das Reichskriminalpolizeiamt als Amt V des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) unter Reinhard Heydrich. Als die Behörde mit einem Rundgang eröffnet wird, ist der ebenso zugegen wie Heinrich Himmler als Chef von SS und Polizei. Die Führung übernimmt der Hausherr, Reichskriminaldirektor Arthur Nebe, mit der........

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