Das Centre Culturel Français prägte mein Leben und ist mir bis heute, 40 Jahre später, immer noch sehr gegenwärtig (den Beweis für diesen etwas pathetischen Anfang hebe ich für den Schluss auf). Bei der Eröffnung waren hochrangige Vertreter aus Politik und Kultur der DDR anwesend: der DDR-Außenminister Oskar Fischer, die First Lady Margot Honecker, der Kulturminister Hoffmann oder die im ZK der SED für Kultur verantwortliche Ursula Rackwitz. Ich hatte das Privileg, zwischen ihnen und den ebenfalls bedeutenden Franzosen dolmetschend zu vermitteln.
Wie vieles in der DDR war das alles andere als selbstverständlich, es mussten dem Ereignis würdige Schranken überwunden werden. Ich weiß nicht mehr, wer mich – den damaligen wissenschaftlichen Mitarbeiter des Zentralinstituts für Philosophie der Akademie der Wissenschaften – für diese ehren- und verantwortungsvolle Aufgabe auserkoren hatte. Ich war kein ausgebildeter Dolmetscher, verdankte jedoch eine hinreichende Qualifikation den ersten zehn Jahren meines Lebens in Frankreich und meinem späteren Studium der romanischen Sprachen und Literaturen sowie vielen vorangegangenen Gelegenheiten, meine Fähigkeiten auf diesem Felde zu beweisen.
Masha Gessen in Berlin: Der Versuch, mich mundtot zu machen, ist misslungen
18.12.2023
27.01.2024
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Ich brauchte allerdings – wie auch bei Veröffentlichungen, Vorträgen und ähnlichem – die Genehmigung meines Institutsdirektors – der sich, wie bei allen Entscheidungen, die er für risikovoll hielt, rückversicherte. Er verwies mich an den Generalsekretär der Akademie. Dieser hatte nichts einzuwenden, und ich bezog diese höchstinstanzliche Freigabe auf alle künftigen Gelegenheiten, die sich bieten sollten. In dem guten Vierteljahrhundert des Bestehens des Centre gab es derer viele.
Der Eröffnung dieses ersten westlichen Kulturzentrums im Herzen der Hauptstadt der DDR waren ein Kulturabkommen zwischen beiden Staaten und langwierige Verhandlungen vorausgegangen, von denen bei der feierlichen Zeremonie natürlich nicht die Rede war – es herrschte vornehme diplomatische Zurückhaltung, man betonte die Rolle der Kultur für die Verständigung unter den Völkern und verschwieg die Kröten, die die offizielle DDR hatte schlucken müssen, um an internationalem Ansehen, an Anerkennung ihrer Normalität als souveräner, weltoffener Staat zu gewinnen.
Die Bedingungen der Franzosen zu akzeptieren – das bedeutete freier Zugang zu dieser westlichen Einrichtung, zur dort erhältlichen westlichen Presse, zu den Büchern ihrer Bibliothek, zu den Vorträgen der Politiker, Philosophen Schriftsteller, Künstler verschiedener Gattungen, zu Fotografie, Malerei, Karikatur, zu Filmen, Theater, Konzerten – hieß für die Vertreter des realen Sozialismus auf deutschem Boden auf Prinzipien zu verzichten, die ihnen für die Abwehr........