Putin buhlt um den globalen Süden: Alles für die multipolare Weltordnung

Ein dreiminütiges Video auf dem Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg gab den Ton vor, unmittelbar vor Wladimir Putins zentraler Forumsrede am Freitag. Es illustrierte das neue – offizielle – Moskauer Selbstverständnis: tausend Jahre erfolgreicher russischer Widerstand gegen europäische Kolonisatoren, Ausbeuter und Eroberer, von den Deutschordensrittern über Napoleon und Hitler bis zum US-Dollar und den westlichen Werten.

Vor 25 Jahren noch frischgebackenes, stolzes Mitglied der führenden westlichen Industrieländer G8, präsentiert Russland sich heute unverrückbar an der Seite des globalen Südens. Man kann das als Laune des späten Putin abtun, als ein Russland auf Abwegen, das unter einer neuen Politikergeneration auf den Pfad des europäischen Fortschritts zurückfinden wird – oder als Phänomen einer nachhaltigen Entfremdung.

Jedenfalls führt Russland Krieg im Zeichen der russisch-westlichen Konfrontation, so das geltende Narrativ. Der globale Süden, um den die Moskauer Politiker so offensichtlich buhlen, verweigert sich auch nicht – oder gibt bestenfalls vor, es zu tun. In Asien, Afrika und Lateinamerika sieht man den Ukraine-Krieg als internen europäischen Konflikt. (Fast) niemand will es sich mit den USA verderben, doch das Sprichwort „Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte“ hat an Gültigkeit nichts eingebüßt.

Insgesamt waren 130 Länder in St. Petersburg vertreten. Daher war es auch ein eurozentrischer Selbstbetrug, dass die englischsprachige „Moscow Times“ titelte: „Taliban, Brics und Familienwerte: Wirtschaftsforum macht Russlands Isolation offenkundig“. Auf die Taliban (eine Delegation aus Kabul ist nach St. Petersburg gekommen) mag das Wort „isoliert“ noch zutreffen, auf die Brics und die Vertreter von........

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