Meine Mutter wuchs im „Höcke-Haus“ auf: Was geschah dort?

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„Hab auf der Welt die schönsten Stunden doch nur im eignen Heim gefunden“, stickte einst die Großtante meiner Mutter auf einen Leinenbehang. Eine Kreuzsticharbeit, wie sie Anfang des 20. Jahrhunderts in Mode war. Haushalte aller Couleur schmückten sich mit solchen Überhängen, deren poetische, moralische oder religiöse Sprüche Wertvorstellungen zitierten, etwa von klar verteilten Geschlechtertrollen.

Der Behang über dem Kinderbett meiner Mutter brannte ihr die Worte in umgekehrter Reihenfolge in den Kopf. So sagt die inzwischen 84-Jährige diesen Spruch bis heute rückwärts daher: „Gefunden Heim eignen im nur doch Stunden schönsten die Welt der auf hab.“

Kürzlich hat sich meine Mutter ein Gemälde über ihr Sideboard gehängt: ihr Elternhaus im Sujet der Landschaftsmalerei, voll Schönheit und Harmonie. Neugierig schaute die damals Sechsjährige über die Schulter des Künstlers, als dieser im Jahr 1946 mit feinen Pinselstrichen den Frühherbst um das Haus zauberte.

Das Verstörende: Es ist jenes Haus im thüringischen Bornhagen, das gut 70 Jahre später in die Schlagzeilen geriet, als das Zentrum für Politische Schönheit 2017 dort das Berliner Mahnmal für die ermordeten Juden Europas nachbaute. Die umstrittene Aktion hatte ihren Grund in der Geisteshaltung des heutigen Hausherrn – Björn Höcke, AfD-Spitzenkandidat für die Thüringer Landtagswahl.

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15.07.2024

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Vor Jahren schon hatte die........

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