Slavoj Žižek: Putins Russland hat mit dem Atombombenspiel die rote Linie überschritten
Ich muss zugeben, dass ich gelegentlich gerne Podcasts höre, in denen die Geheimnisse der bekanntesten Zaubertricks erklärt werden (Hütchenspiel, Mentalmagie, Schwebetricks ...). Und nach der Lektüre der jüngsten Nachrichten aus Russland bin ich zu dem Schluss gekommen, dass diese Tricks auch einen Hinweis darauf liefern, wie die russische Propaganda das geschafft hat, was unserem gesunden Menschenverstand unmöglich erscheint: zu verkünden, dass der russische Angriff auf die Ukraine ein Akt der Selbstverteidigung ist. Die Standarderklärung für Zaubertricks lautet, dass sie sich in der Regel auf mindestens zwei verschiedene Strategien stützen und diese miteinander kombinieren, um die gewünschte Wirkung zu erzielen – und genau das tut Russland auch.
Zwei aktuelle Stellungnahmen Putins und der russischen Regierung haben die Spannungen im Zusammenhang mit der Ukraine verschärft. Erstens hat die russische Regierung eine Liste von 48 ausländischen Staaten und Territorien genehmigt, denen vorgeworfen wird, eine Politik umzusetzen, die destruktive neoliberale ideologische Einstellungen durchsetzt, die den traditionellen spirituellen und moralischen Werten Russlands widersprechen.
Die Liste wurde im Einklang mit dem von Putin am 19. August unterzeichneten Dekret über die Bereitstellung humanitärer Hilfe für Personen genehmigt, die „traditionelle russische spirituelle und moralische Werte teilen“.
Die Staaten auf dieser Liste werden nun offiziell als „feindliche Staaten“ bezeichnet, weil sie die „traditionellen geistigen und moralischen Werte Russlands“ nicht teilen – hier wird nicht von einer multipolaren Welt gesprochen, man ist einfach ein Feind Russlands, wenn man seine Werte nicht teilt.
Russlands Reformen: Was Putins Atomdrohungen zu bedeuten haben
28.09.2024
Putin gibt mehr Geld für Militär aus, die Inflation steigt, die Gesellschaft ächzt
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© Berliner Zeitung
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