Nach Wahlsieg des Reformkandidaten Peseschkian: Öffnet der Iran sich dem Westen?

Im Iran wird Massud Peseschkian aus dem sogenannten Reformlager überraschend neuer Präsident. Der liberale Politiker siegte in der Stichwahl mit knapp 54 Prozent der Stimmen gegen den Hardliner Said Dschalili. Dabei kam ihm zugute, dass die Wahlbeteiligung von rund 40 Prozent in der ersten Runde auf rund 50 Prozent in der Stichwahl stieg. Die vorgezogene Wahl war nach dem Tod von Ebrahim Raisi angesetzt worden, der im Mai bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen war.

Viele Beobachter waren davon ausgegangen, dass Dschalili die konservativen Wähler in der Stichwahl hinter sich versammeln würde. Doch ein Großteil der Stimmen des in der ersten Wahlrunde ausgeschiedenen konservativen Kandidaten Mohammad Bagher Ghalibaf gingen in der Stichwahl offenbar an Peseschkian. Der jetzt unterlegene Dschalili, einst Chefunterhändler bei den Atomverhandlungen, ist für seine unnachgiebige Haltung gegenüber dem Westen bekannt. Die Angst vor einer weiteren ideologischen Verhärtung unter Dschalili scheint viele Iraner im zweiten Wahlgang an die Urnen getrieben zu haben.

Die Wahlen fanden vor dem Hintergrund erhöhter Spannungen wegen des Kriegs im Gazastreifen, eines Streits mit dem Westen über das iranische Atomprogramm und der Unzufriedenheit über den Zustand der von Sanktionen betroffenen iranischen Wirtschaft statt. Während Dschalili die Galionsfigur der Ultrahardliner in der sogenannten Stabilitätsfront ist, die in den vergangenen Jahren ihren Einfluss stetig ausgebaut haben, warb Peseschkian für eine Annäherung an den Westen und die Wiederaufnahme der Verhandlungen über das Atomabkommen von 2015 mit dem Ziel der Aufhebung westlicher Sanktionen. Darin sieht er den Schlüssel für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation.

Demgegenüber war sein Gegenkandidat Dschalili ein Verfechter der „Widerstandsökonomie“, die darauf abzielt, die Sanktionen zu unterlaufen. Dazu gehört die ostorientierte Außenpolitik, für die etwa der verstorbene Präsident Raisi stand. Zu Raisis Erfolgen zählen die........

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