Zum Tod des Komponisten Aribert Reimann: Eine Vorliebe für die Bereiche des Dunklen

In der Geschichte der deutschen Oper traten die wenigen Meisterwerke nie innerhalb von Traditionen auf wie in Italien oder Frankreich, sondern – abgesehen von der Ein-Mann-Tradition Richard Wagners – als Solitäre. Mit der „Zauberflöte“ war ebenso wenig zu rechnen wie mit dem „Freischütz“, und dass es dem Schönberg-Schüler Alban Berg gelingen würde, mit dem „Wozzeck“ die noch immer unangefochtene Meister-Oper der Moderne zu komponieren, ist nicht weniger überraschend, als dass der vielleicht größte Opernerfolg der Nachkriegszeit ausgerechnet von einem einzelgängerischen Berliner Komponisten stammt. Der 1978 in München uraufgeführte „Lear“ machte Aribert Reimann mit einem Schlag international bekannt, nach der Uraufführung wurde die Oper innerhalb von fünf Jahren in Düsseldorf, Mannheim, Nürnberg, aber auch in Paris, San Francisco und an der Komischen Oper in Ost-Berlin nachgespielt. Auch Hans Werner Henze mag seine Opern gut verkaufen, aber sie laufen in ihrer robusten Theatralik wesentlich störungsfreier durch den Betrieb als Reimanns verästelte, verrätselte und komplizierte Musik.

Die Partitur des „Lear“ ist für Aribert Reimanns Komponieren zugleich charakteristisch wie untypisch. Charakteristisch ist die Vorliebe für die Bereiche des Dunklen, Verzweifelten, Abseitigen, charakteristisch ist auch das Denken in Kontrasten, sei es der zwischen Singstimme und Begleitung, sei es der zwischen tumultuösen und entrückten Klangfeldern, zwischen akkordischen Ballungen und ätherischer Geringstimmigkeit. Untypisch........

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