Unter dem Schreibtisch liegt ein elektrisches Laufband, für das Training während der Arbeit. Neben der Sitzgarnitur ragt eine große weiße Leuchte empor, die den Kreidefelsen auf Rügen symbolisiert. Ute Bonde hat sich eingerichtet in ihrem Dienstzimmer mit Blick auf den Köllnischen Park in Mitte. Seit Mai ist die Juristin Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt. Beobachter wundern sich, wie lässig und scheinbar entspannt die Christdemokratin mit der U-Bahn-Krise bei den landeseigenen Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) umgeht. Zeit für ein Gespräch – auch über Poller, das Ende des 29-Euro-Tickets, den Radwegstreit in der Kantstraße und die Fähre nach Schöneweide.
Wie lange liegt Ihre jüngste Fahrt mit der Berliner U-Bahn zurück?
Das ist ungefähr eine Woche her.
Auf welcher Strecke waren Sie unterwegs?
Auf der U2, vom U-Bahnhof Märkisches Museum zum Theodor-Heuss-Platz.
Und, wie war die Fahrt?
Gut. Wenn ich zum Abgeordnetenhaus muss, nutze ich manchmal auch die U2.
Längst nicht alle Berliner finden die U-Bahn gut. Sie beschweren sich darüber, dass Fahrten ausfallen und Züge oft zu voll sind. Können Sie die Kritik verstehen?
Viele Berlinerinnen und Berliner sind mit der BVG nicht zufrieden, das kann ich nachvollziehen. Neue U-Bahnen sind bestellt, doch die ersten Züge befinden sich noch im Testbetrieb. Zu spüren ist auch, dass der U-Bahn Fahrpersonal fehlt und der Krankenstand hoch ist. Wie immer in dieser Jahreszeit nehmen die Erkältungen zu. Bundesweit ist jeder zehnte Bürger erkrankt. Jetzt geht es um mehr Stabilität und mehr Zuverlässigkeit. Das nehmen wir mit der BVG gemeinsam in Angriff. Wir befinden uns auf einem Konsolidierungskurs.
Über viele Jahre hinweg hat die BVG keine neuen U-Bahnen bekommen. Die vorerst letzten Züge für die Großprofillinien U5 bis U9 kamen 2002. Erst 2016 gab der Senat grünes Licht für eine große Beschaffung, 2019 erhielt Stadler den Zuschlag. Wurden die neuen U-Bahnen zu spät bestellt?
Nein, sie wurden nicht zu spät bestellt. Es gab Verzögerungen, mit denen damals niemand rechnen konnte. Damit meine ich nicht nur Corona und die Folgen für die Lieferketten. Ein großes Problem war das Vergabeverfahren, das die Beschaffung mehr als zwei Jahre aufgehalten hat. Eines der Unternehmen, das sich um den Großauftrag beworben hatte, zog vor die Vergabekammer und schließlich vor das Kammergericht. Dass die U-Bahn-Ausschreibung angefochten wurde, hat uns und die Stadt viel Zeit gekostet. Wenn man diese Zeit abziehen würde, wären die U-Bahnen längst da.
Bei Stadler in Pankow und Velten stehen schon mehr als hundert neue U-Bahn-Wagen. Wann werden sie endlich im Fahrgastbetrieb eingesetzt?
Ende November/ Anfang Dezember werden wir den Lieferplan vorstellen. So wie es bislang aussieht, sollen die ersten Züge der Baureihe JK, die für die Kleinprofillinien U1 bis U4 konzipiert wurden, kurz nach den Sommerferien 2025 in den Betrieb gehen.
Desaster mit Ansage: Warum die Krise bei der Berliner U-Bahn absehbar war
30.08.2024
Fahrpreise steigen kräftig: Was auf die Fahrgäste in Berlin und Brandenburg jetzt zukommt
•gestern
Auch Sie können auf dem schwierigen Arbeitsmarkt das dringend benötigte Fahrpersonal nicht herbeizaubern. Dass die U-Bahn-Beschaffung viel zu spät angegangen wurde, kann der Senat viele Jahre danach ebenfalls nicht mehr ändern. Kurzfristige Besserung ist also nicht zu erwarten.
In den vergangenen Wochen hat sich die Betriebsqualität bei der U-Bahn wieder positiv entwickelt. Das wird sich sukzessive so fortentwickeln. Was größere Verbesserungen anbelangt, hat BVG-Chef Henrik Falk im Mobilitätsausschuss des Abgeordnetenhauses bekräftigt, dass es noch etwas dauern wird. Mitte 2026 werden wir mit der BVG dort stehen, wo wir eigentlich stehen wollen. Es geht auch um die Unternehmenskultur, um die Wertschätzung der BVG-Beschäftigten. Ich bin mir sicher, dass Henrik Falk dieses Thema ebenfalls in die Hand nehmen und die interne Kommunikation mit der Belegschaft verbessern wird. Es wird gut werden.
Wenn die Fahrgäste in Berlin eine halbe Minute oder eine Minute länger auf die U-Bahn warten müssen, dann ist das Angebot trotzdem immer noch richtig gut.
Im Juli 2024 haben Sie während eines Termins bei der BVG gesagt: „Ich glaube, da müssen wir eine andere Haltung bekommen. In anderen Städten fährt die U-Bahn alle zehn, alle 15 Minuten.“ Sind die Berliner verwöhnt?
Das würde ich nicht so formulieren. Aber wir haben uns an das sehr gute Angebot des öffentlichen Verkehrs gewöhnt. Wann immer ich Gäste habe, sagen sie: Das ist Wahnsinn, was Ihr in Berlin den Fahrgästen bietet! Ob sie aus dem Rheinland kommen, aus Süddeutschland, Hamburg oder dem Ausland: Alle Besucher schätzen den Nahverkehr in unserer Stadt. Wenn die Fahrgäste in Berlin nun auf einigen Linien eine halbe Minute oder eine Minute länger auf die U-Bahn warten müssen, dann ist das Angebot trotzdem immer noch richtig gut. Andere Städte beneiden Berlin darum.
BVG-Chef im Interview: So lange wird die Misere bei der U-Bahn noch dauern
24.08.2024
Nahverkehr in Berlin: Warum bei der BVG ab Januar 2025 Warnstreiks drohen
24.10.2024
Sie haben angekündigt, dass der Senat und die neue Spitze in der BVG für Ordnung sorgen wollen. Was bedeutet das konkret? Und warum hat das Land so lange Unordnung zugelassen?
Dass Dinge nicht funktionieren, ist jetzt wahrgenommen worden. Ordnung schaffen heißt, dass wir erstens mehr Wert auf Stabilität und Zuverlässigkeit legen – und zweitens, dass wir investieren müssen, um das bestehende Angebot zu sichern. Beide Themen waren aus dem Fokus geraten.
Sie ließen prüfen, ob alte U-Bahnen länger in Betrieb bleiben könnten. Dann wäre es möglich, weniger neue U-Bahnen zu bestellen. Nach unseren Informationen zeigt sich die BVG bei diesem Thema ablehnend. Werden Sie dies akzeptieren?
Der Rahmenvertrag mit Stadler sieht vor, dass die BVG eine bestimmte Zahl von U-Bahn-Wagen abnehmen muss. Für weitere Bestellungen, die on top kämen, wurde eine Option vereinbart. Um diese Option geht es. Wir sprechen mit der BVG darüber, ob, wann und in welchem Umfang sie gezogen werden soll. Wenn wir ältere U-Bahnen unter Beachtung aller Sicherheitserfordernisse länger im Einsatz lassen können und dies im Vergleich zu Neuanschaffungen wirtschaftlicher ist, dann werden wir........