Sorge wegen Abwärtstrend in Umfragen: Ohne Fraktion hätte Wagenknecht ein Problem

Der deutsche Journalismus hat seltsame Marotten. Dazu gehört sicherlich, Streitigkeiten auf der Plattform X als „Aufregung im Netz“ zu betiteln, um sie dann zu gesellschaftlichen Konflikten aufzublasen. Was mitunter irreführend ist. Denn in Deutschland tummeln sich auf X überproportional viele Politik- und Medienleute, die einander beeinflussen und beeindrucken wollen. Und dabei oft weit entfernt sind von der tatsächlichen „Aufregung“ oder „Empörung“ vieler Bürger.

Doch so trügerisch diese kleine Welt auch sein mag: Gerade weil sie eine politisch-mediale Blase ist, lässt sich dort manches aus der Branche ablesen, zum Beispiel die Gemütslage einer Partei. Und im Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) war das Stresslevel zuletzt recht hoch.

Wagenknecht verurteilt Taurus-Vorstoß der FDP: „Wer das Spiel mitspielt, wird Krieg nach Deutschland holen“

17.11.2024

Diesen Eindruck vermittelte auch das Grüppchen kritischer Aktivisten und Anhänger, die das BSW ein Jahr nach der Parteigründung flankieren. Sie schreiben Beiträge zur Weltpolitik, über bundespolitische Debatten, aber mittlerweile auch zu parteiinternen Verwerfungen. Denn die Harmonie im BSW hielt nur wenige Monate an. Der Streit zwischen der thüringischen Landesspitze und dem Bundesvorstand um Sahra Wagenknecht hat auch das Umfeld der Partei angestachelt.

Die Sympathien schienen klar verteilt zu sein. In den vergangenen Wochen haben sich mehrere Accounts auf das Thüringer BSW eingeschossen. Es kam zu Diskussionen mit Erfurter Abgeordneten, schlechte Umfragewerte wurden der Landesvorsitzenden Katja Wolf angelastet. Hinter alledem steht Wagenknechts Kritik am Ergebnis der thüringischen Sondierungsgespräche zwischen CDU, BSW und SPD. Die Kollegen waren ihr zu kompromissfreudig, vor allem ein Passus zur Ukraine-Politik und zur Stationierung von Raketen der USA in Deutschland ging der Vorsitzenden nicht weit genug.

Nachverhandeln oder Opposition, das war – kurz zusammengefasst – das Urteil der Parteigründerin. Wagenknecht und der Bundesvorstand forderten mehr BSW-Programm im Koalitionsvertrag. Doch um welchen Preis will man dieses Kräftemessen eigentlich fortführen? Was schätzen die Wähler mehr: eine Partei, die eigene Positionen auf keinen Fall verwässert, oder eine, die Geschlossenheit signalisiert?

Wahlen 2025: So würden AfD, CDU und BSW in Berlin abschneiden

20.11.2024

Fragen wie diese scheint man sich auch in der BSW-Spitze zu stellen. Mittlerweile hat sich dort offenbar die Meinung durchgesetzt, dass der öffentliche Disput zwischen Wagenknecht und Wolf eher schadet als nützt.........

© Berliner Zeitung