Rechtsanwalt über Politiker-Beleidigungen: „Man sollte Gauland vom Vogelschiss sprechen lassen“

Was Strafanzeigen wegen Beleidigung oder Bedrohung betrifft, ist Robert Habeck das fleißigste Mitglied der Bundregierung. Seit der vergangenen Wahl wandte sich der Grünen-Politiker in mindestens 805 Fällen an Strafverfolgungsbehörden oder Amtsgerichte. Hinter ihm, auf Rang zwei, folgt laut der Datenbank von Statista seine Parteikollegin Annalena Baerbock. Die Außenministerin kam bis August auf 513 Anzeigen.

Meistens geht es dabei um Anfeindungen im Netz, zum Beispiel auf der Plattform X. Dort hatte auch ein Rentner aus Bayern ein Bild geteilt, das Habecks Gesicht über dem Wort „Schwachkopf“ zeigt. Es ist angelehnt an die Haarstyling-Marke „Schwarzkopf Professional“. Man kann das für ein eher harmloses Wortspiel halten, doch der Vizekanzler und Wirtschaftsminister stellte einen Strafantrag, er drängte auf Strafverfolgung.

Für den Strafverteidiger Dr. Yves Georg handelt es sich bei dem „Schwachkopf“-Meme um eine zulässige Meinungsäußerung. Im Interview kritisiert der Hamburger Rechtsanwalt einen verengten Meinungskorridor in Deutschland und eine Überbewertung von Kommunikation in Politik und Medien.

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„Schwachkopf“ Habeck: Wie ein bayrischer Rentner zum Staatsfeind gemacht wurde

17.11.2024

Herr Georg, auf die Anfrage zu diesem Interview antworteten Sie: „Das Thema interessiert mich sehr.“ Was reizt Sie daran?

Ich habe schon lange den Eindruck, dass der Stellenwert der Meinungsfreiheit in Recht, Politik und Gesellschaft als zu gering bewertet wird. Vor über 65 Jahren hat das Bundesverfassungsgericht einmal gesagt, die Meinungsfreiheit sei „eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt“ und „in gewissem Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt“. Starke Worte, die nicht in Vergessenheit geraten sollten. Das gilt sowohl für die Frage, was man alles als Beleidigung ansieht, als auch für sonstige Äußerungsdelikte.

Haben Sie Beispiele?

Wer in Deutschland mit dem Z-Symbol des russischen Militärs auf dem Auto durch die Gegend fährt, wird bestraft. Ich selbst habe in einem solchen Fall verteidigt und bin mit dem Pochen auf die Meinungsfreiheit bis zum Bundesverfassungsgericht auf taube Ohren gestoßen. Das Bundesinnenministerium verbietet die palästinensische Parole „From the river to the sea“ pauschal, woraufhin sich mehrere Generalstaatsanwaltschaften zur automatischen strafrechtlichen Verfolgung aufgerufen fühlen. Je nach Kontext sind das aber alles Meinungen, die man zwar nicht teilen muss, die eine demokratische Gesellschaft aber auszuhalten hat.

Das Gegenargument lautet oft, man dürfe in Deutschland zwar nicht alles, aber doch sehr vieles sagen. Wenn es denn nicht justiziabel ist.

Das wird ja den Kritikern........

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